Die Liebe war da und der Wunsch nach einem Kind auch. Doch der erfüllte sich nicht auf Anhieb, eine heute 41-Jährige und ihr Partner benötigten die Hilfe von Medizinern. Und wie sich herausstellte, besser auch einen Trauschein. Denn ohne gibt es für die teuren künstlichen Befruchtungen kein Geld von den gesetzlichen Krankenkassen. "Ich finde, alle sollten gleich behandelt werden", sagt die Frau, die anonym bleiben möchte.
Eine Kasse aus Berlin sieht das ähnlich und will auch ledige Paare finanziell bei ihrem Wunsch nach medizinischer Hilfe bei der Erfüllung des Kinderwunschs unterstützen. Ob sie das darf, darüber wird das Bundessozialgericht in Kassel am Dienstag (18. November) grundsätzlich entscheiden.
"Realitätsferne Regelung"
Zahlreiche Paare in Deutschland können nicht auf natürlichem Weg Nachwuchs bekommen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die Methoden der Reproduktionsmedizin, die teuer und häufig langwierig sind. Nach Zahlen des Deutschen IVF-Registers haben sich im Jahr 2012 bundesweit etwa 50 000 Frauen einer Kinderwunschbehandlung unterzogen. Dabei ging es entweder um die In-vitro-Fertilisation (IVF) oder die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Die Kosten liegen je nach Behandlungsform bei bis zu 4500 Euro.
Die Kassen zahlen Zuschüsse entsprechend der gesetzlichen Regelungen für künstliche Befruchtungen für drei Versuche - aber nur an Verheiratete. "Wir sind der Auffassung, dass die aktuelle Regelung realitätsfern ist und nicht den Lebenswirklichkeiten entspricht", sagt Helge Neuwerk, der Stellvertreter des Vorstands der BKK Verkehrsbau Union (BKK VBU).
Klage in der nächsten Instanz
Die Kasse änderte 2012 ihre Satzung, wonach auch Ledige in auf Dauer angelegter Partnerschaft Geld für die Behandlungen bekommen sollen. Das scheiterte am Veto des Bundesversicherungsamtes. Die Änderung stehe nicht im Einklang mit höherrangigem Recht. Die BKK klagte, verlor im vergangenen Juni aber vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Nun geht es in die nächste Instanz.
"Ein Trauschein soll nicht Bedingung dafür sein, eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen", erläutert Neuwerk den Gang vor das höchste Sozialgericht. Unverheiratete zahlten ebenso wie Ehepaare Beiträge - warum sollten sie dann nicht auch gleich behandelt werden?
Immer mehr Eltern nicht verheiratet
Dass ledige Paare keinen Anspruch auf Zuschüsse haben, ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 mit dem Grundgesetz allerdings vereinbar. Es stehe dem Gesetzgeber jedoch frei, auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften Kassenleistungen für eine künstliche Befruchtung zu gewähren, stellten die Richter in Karlsruhe klar (Az: 1 BvL 5/03 vom 28. Februar 2007).
Doch immer mehr Eltern ziehen ohne Trauschein ihren Nachwuchs groß. Die klassische Familie mit Ehepaar und einem oder mehreren Kindern dominiert zwar weiterhin in Deutschland, 70 Prozent der Eltern sind nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes verheiratet. 1996 waren es mit 81 Prozent aber deutlich mehr. Und nichteheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften legten in dem Zeitraum von 5 auf 10 Prozent zu. Bevölkerungsforscher sehen denn auch einen Bedeutungsverlust der Ehe.
"Doppelte Bestrafung"
Dass ledige, kinderlose Paare keine Kassenleistungen bekommen, empfänden die Betroffenen als "ungerecht und nicht mehr zeitgemäß", berichtet Petra Thorn, die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung. "Sie fühlen sich als doppelt bestraft, das sagen die Paare auch so." Doch auch Eheleute beklagten sich oft über eine Dilemma-Situation: "Sie wollen auf der einen Seite dem gängigen Familienbild entsprechen und Kinder bekommen, sehen sich auf der anderen Seite aber finanziellen Schranken gegenüber." Denn es wird ja nur ein Teil - in der Regel die Hälfte - von den Kassen bezahlt.
Die 41-Jährige und ihr Partner haben schließlich geheiratet, das ist jetzt drei Jahre her. «Wir haben das zu diesem Zeitpunkt getan, um auf unkompliziertem Weg die Zuschüsse für die Behandlungen zu bekommen.»