Österreichs Verfassungsgerichtshof hat die Ausnahmen für Kirchen vom coronabedingten Kultur-Lockdown im Herbst 2021 für "gleichheitswidrig" erklärt. Religiöse Zusammenkünfte in jeder Form von den Beschränkungen des Lockdowns für Kultureinrichtungen auszunehmen, "also unabhängig davon, ob solche Zusammenkünfte im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfinden, es sich um Gottesdienste, Andachten oder sonstige religiöse Gebräuche handelt und auch unabhängig von der Zahl der Teilnehmenden", sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen und eine "Ungleichbehandlung von Religion und Kunst", erklärte das Gericht am Dienstag.
"Religionsfreiheit ist ein sehr hohes Gut"
Kultusministerin Susanne Raab sagte dazu auf Anfrage der Presseagentur Kathpress (Dienstag): "Religionsfreiheit ist ein sehr hohes Gut." Bei einer Pressekonferenz hob sie die gute Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften in der Pandemie hervor. Es sei der Regierung stets wichtig gewesen, "dass Regelungen partnerschaftlich getroffen werden", im Sinne des österreichischen Kooperationsmodells zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat.
Die Ministerin äußerte sich zudem überzeugt, dass der Glaube und die gemeinsame Religionsausübung sowie auch entsprechende Möglichkeiten der Seelsorge vielen Menschen im Land gerade in Krisenzeiten Halt gäben. Sie hätten daher nicht nur für den einzelnen, sondern für die gesamte Gesellschaft einen besonders hohen Stellenwert.
Corona Maßnahmen in Österreich
Österreichs Corona-Maßnahmen sahen für 22. November bis 11. Dezember 2021 einen bundesweiten Lockdown auch für Geimpfte und Genesene vor. Das Betreten des Kundenbereichs von Kultureinrichtungen war in diesem Zeitraum ohne Ausnahmen untersagt. Zusammenkünfte zur Religionsausübung waren hingegen gestattet. - Mehrere Kulturschaffende hatten beim Verfassungsgericht beantragt, die Ausnahmen für Zusammenkünfte zur Religionsausübung aufzuheben.
Der Rechtsreferent der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Brandner, sagte der Kathpress, die Feier öffentlicher Gottesdienste falle in den Kernbereich der verfassungsrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften. Ausnahmen von solchen Verordnungen seien nicht grundsätzlich unzulässig. Das Gericht habe die Unzulässigkeit im konkreten Fall vielmehr darin erkannt, dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Grundrecht auf Kunstfreiheit vorlag, so Brandner.
Religionsausübung als "religiöses Grundbedürfnis"
Die Gewährleistung gemeinschaftlicher Religionsausübung als "religiöses Grundbedürfnis" sei für die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften verfassungsgesetzlich geboten gewesen, argumentiert der Vertreter der Bischofskonferenz. Er erinnerte daran, dass diese damals aber mit ihrer jeweiligen inneren Regelungskompetenz und auf der Basis entsprechender Vereinbarungen mit der Regierung in Wien verbindliche Regelungen in Kraft gesetzt hätten, um auf die damalige Epidemie-Lage zu reagieren.