Gericht: Verfassungsschutz darf Scientology überwachen

Gegen die Menschenwürde

Der Verfassungsschutz darf weiterhin Scientology beobachten und dabei nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) für Nordrhein-Westfalen am Dienstag in Münster. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass Scientology Bestrebungen verfolge, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien, hieß es zur Begründung. Scientology hat derweil weitere Rechtsmittel angekündigt.

 (DR)

Das Gericht bestätigte damit in zweiter Instanz die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts (VG) von 2004. Eine Revision gegen das Urteil ist nicht möglich. Über eine mögliche Nichtzulassungsbeschwerde muss das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entscheiden. Dem Urteil war eine mehrstündige mündliche Verhandlung vorausgegangen.

Das OVG Münster hob in der Urteilsbegründung hervor, es gebe Hinweise, dass Scientology eine Gesellschaftsordnung anstrebe, in der zentrale Verfassungswerte wie die Menschenwürde außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden sollten. Vor allem bestehe der Verdacht, dass in einer solchen Ordnung nur den eigenen Mitgliedern staatsbürgerliche Rechte zugestanden werden sollten. Nach aktuellen Erkenntnissen wolle Scientology sein Programm in Deutschland umsetzen und dazu "scientologische Prinzipien" in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verbreiten. Besonders in Berlin sei die Organisation derzeit aktiv.

Ausdrücklich offen ließ das Gericht die Frage, ob es sich bei Scientology um eine Religionsgemeinschaft handelt. Dies sei für die Entscheidung nicht von Bedeutung gewesen, hieß es. Die Organisation bezeichnet sich selbst als Religionsgemeinschaft. Als eines der Hauptargumente in der Verhandlung führten ihre Anwälte an, dass eine solche Gemeinschaft nicht beobachtet werden dürfe, wenn keine verfassungsfeindlichen Aktivitäten nachweisbar seien.

In der mündlichen Verhandlung ging es auch um die Frage, ob die Schriften des 1986 verstorbenen Scientology-Gründers L. Ron Hubbard mit der heutigen Zielsetzung der Organisation gleichzusetzen seien. Auch Nachhilfeangebote, mit denen Scientology gezielt Jugendliche anspricht, waren Thema.

Das VG Köln war im November 2004 zu demselben Urteil gekommen. Damals hatte die Organisation gegen die seit 1997 praktizierte Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geklagt. Auch die Kölner Richter entschieden, dass die weitere Beobachtung der Kläger einschließlich des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel zulässig sei. Die Überwachung hatte die Innenministerkonferenz beschlossen.

Sie wurde laut Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zwischen 2001 und 2005 in mindestens 11 der 16 Bundesländer durchgeführt.

Scientology kündigt weitere Rechtsmittel an
Scientology kündigte bald nach der Entscheidung weitere Rechtsmittel an und sprach von einer ausschließlich politisch motivierten Überwachung. "Wir sind davon überzeugt, den Fall in der nächsten Instanz letztlich zu gewinnen", erklärte Sprecherin Sabine Weber in Berlin. Sie sprach von einer politischen Farce sowie Willkür und Schikanen gegenüber Scientologen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz solle sich den "tatsächlichen Verfassungsfeinden und wirklichen Gefahren zuwenden".