Scientology-Anhängerin betreibt Lerngruppe in Münster

Missionierung bei der Nachhilfe?

Es ist ein ganz normales Einfamilienhaus mitten in einer Vorstadtsiedlung von Münster. Am Eingang hängt ein Hinweis auf die Lerngruppe "Die Streber". "Mehr als nur Nachhilfe" verheißt das Schild. Betreiberin ist die 55-jährige Tina Salomon, seit 20 Jahren Mitglied bei Scientology. Verbirgt sich hinter der Fassade der Lerngruppe eine getarnte Missionierungsstation der umstrittenen Organisation?

Autor/in:
Stefan Clauser
 (DR)

Deren weltweit prominentestes Mitglied Tom Cruise hat die Scientologen hierzulande wieder ins Gespräch gebracht. Und auch der Zwist um die Beobachtung der Organisation durch den Verfassungsschutz rückt zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Am Dienstag (12. Februar) wird das Oberverwaltungsgericht Münster darüber zu entscheiden haben. Experten warnen seit längerem vor intensivierten Bemühungen der Scientologen, Nachwuchs zu rekrutieren - vorzugsweise über die Gründung von Nachhilfeschulen. Davon soll es landesweit mindestens fünf geben - Tendenz steigend.

Doch Mitgliederwerbung sozusagen durch die ideologische Hintertür weist Tina Salomon von sich. Die 55-Jährige betreibt seit fünf Jahren die private Lerngruppe in Hiltrup. Ebenso wie Tochter und Partnerin Jenny macht sie aus ihrer Mitgliedschaft bei Scientology keinen Hehl. Doch diese, so beteuern die beiden Frauen unisono, hat mit ihrem Job rein gar nicht zu tun. "Hier geht es um Deutsch und Mathe, Religion wird nicht erteilt", sagt Tina Salomon.
17 Schüler lassen sich bei den "Strebern" nach Angaben der Betreiberinnen zurzeit schulisch auf die Sprünge helfen. Das Konzept, nach dem im zum kleinen Klassenzimmer umgestalteten Wohnraum unterrichtet wird, nennt sich "Applied Scholastics". Es geht zurück auf Scientology-Gründer L. Ron Hubbard und, so Salomon, auf "amerikanische Professoren". Mit der zugrunde liegenden Unterrichtsmethode und ihren weltanschaulichen Bezügen halten "die Streber" keineswegs hinterm Berg, wie ihr Internetauftritt belegt.

Die propagierte Lerntechnik an sich hält Sabine Riede von der Sekten Info NRW aus pädagogischer Sicht nicht für gefährlich, wohl aber für "ineffektiv und überflüssig". In einem Aufsatz erklärte sie unlängst, nicht die Lerntechnik stelle die eigentliche Gefahr dar, sondern der persönliche Kontakt. Eine Einschätzung, die Brigitte Hahn von der Fachstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen beim Bistum Münster teilt. Die Hiltruper Einrichtung kennt sie, hat vereinzelt auch schon Hinweise auf deren scientologischen Hintergrund erhalten. Die fachliche Kompetenz der an Applied Scholastics orientierten Nachhilfekräfte stellt Hahn generell in Frage.

Tina und Jenny Salomon weisen indessen darauf hin, dass eine spezifische Ausbildung für den Betrieb einer Nachhilfegruppe rechtlich nicht verpflichtend ist. Im Übrigen berufen sich die beiden Frauen auf diverse Lehrgänge, die sie in einem dänischen Zentrum für Applied Scholastics absolviert haben. Und auch ein kleiner Ordner liegt griffbereit, in den Tina Salomon eine ganze Reihe Dankesbriefe als Referenzen eingeheftet hat.

Mit ihrer bereits 20-jährigen Zugehörigkeit zu Scientology geht Tina Salomon nach eigener Aussage offensiv um. Spätestens, seit die Nachhilfelehrerin vor rund eineinhalb Jahren erstmals in Medien geoutet wurde. Das hat ihr nach eigener Einschätzung geschäftlich aber nicht geschadet.

Erkenntnisse darüber, ob sie durch den Verfassungsschutz beobachtet wurde, hat die Hiltruperin nicht. "Jedenfalls standen noch keine finsteren Gestalten bei uns vor dem Haus", gibt sie sich locker. Gleichwohl verfolgt sie die Auseinandersetzung um die Beobachtung interessiert, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Reichweite, in dem Scientology der Status einer Religionsgemeinschaft zugebilligt wird. Staatliches Interesse an ihrem von Hubbards Lehren geprägten Leben lehnt sie strikt ab. Das sei schließlich "reine Privatsache".