Gesammelte Reaktionen auf die neue Kirchenstudie

Erschreckend und schonungslos

Die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hat nur wenige überrascht, aber die Krise der Kirchen schonungslos offengelegt. Wie sollten diese darauf reagieren? Da gehen die Meinungen weit auseinander.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Schild zum Ausgang im Bamberger Dom / © Katharina Gebauer (KNA)
Schild zum Ausgang im Bamberger Dom / © Katharina Gebauer ( KNA )

Erschreckend und schonungslos, aber eigentlich wenig überraschend – so lassen sich viele Reaktionen auf die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) kurz zusammenfassen.

Die am Dienstag veröffentlichte Studie zeigt nicht nur, dass das Vertrauen in die Institution Kirche weiter abnimmt. Auch die These, viele Menschen seien doch trotzdem "irgendwie religiös", hat sich als Trugschluss erwiesen.

Kirche nicht als "heiliger Rest"

Für die katholische Deutsche Bischofskonferenz sprach der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf von einem "ungeschminkten" Blick auf die aktuellen Probleme: "Wir würden uns in die Tasche lügen, wenn wir davon ausgehen, dass wir uns einfach nur besser auf die Menschen einstellen müssen und dann wieder alles in Ordnung sein wird. Es gibt nicht nur ein Problem des religiösen Angebots, sondern auch der religiösen Nachfrage."

Dennoch dürfe sich Kirche nicht als "heiliger Rest" verstehen, "der sich schmollend zurückzieht und abschottet".

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sprach von einem "schonungslosen Zeugnis" für die Kirchen. Er spüre aber schon länger Wut und Ärger auch vieler treuer Katholiken. Kirche müsse vor allem weiter "Menschen in existenziellen Nöten beistehen – materiell wie seelisch. Denn viele Menschen haben heute Sorgen, in denen ihnen sonst kaum jemand beisteht."

Stetter-Karp verweist auf Synodalen Weg

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, nannte die "erschreckenden" Ergebnisse ein "deutliches Signal, Veränderungen entschlossen vorantreiben zu müssen".

Die ganz große Mehrheit – insgesamt und unter den Katholiken – verlange genau die Reformen, für die das Reformprojekt Synodaler Weg stehe: Etwa, dass Priester heiraten dürfen, homosexuelle Partnerschaften gesegnet und Führungspersonen demokratisch gewählt werden.

Menschen sind nicht "irgendwie religiös"

Nach Ansicht des Religionssoziologen Detlef Pollack sollte die katholische Kirche für ihre Profilschärfung allerdings weniger auf ihre Kritiker schauen. Die KMU lege nahe, "dass es nicht ausreicht, katholische Theologie über eine Abgrenzung von der Kirchenhierarchie zu betreiben", schrieb er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Die Studie widerlege auch die These, es gebe außerhalb der verfassten Kirche viel Religiosität, und man könne diese Menschen vielleicht zurückgewinnen.

Der Paderborner Theologe Peter Schallenberg warnte im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor allzu großen Hoffnungen, durch Reformen Menschen wieder für Gott gewinnen zu können. Die KMU zeige deutlich, dass die evangelische Kirche nicht von der Krise der katholischen profitieren können, obwohl sie die geforderten Reformen längst umgesetzt habe.

Kirchliche Angebote sind teils ersetzbar

Der im niederländischen Utrecht lehrende Theologe und wissenschaftliche Beirat der Studie Jan Loffeld sagte dem Münsteraner Portal kirche-und-leben.de, es sei interessant, dass das Vertrauen in die Institution Kirche zwar beinahe am Nullpunkt sei, Menschen aber dennoch kirchliche Angebote schätzten und nutzten.

Doch bei vielen der geschätzten Angeboten – etwa in Caritas, Wertevermittlung und Bildung – seien die Kirchen auch ersetzbar, wie ein Blick nach Skandinavien oder in die Niederlande zeige: "Für die Zukunft könnte daher folgende Frage wichtig werden: Welchen Mehrwert trägt die Kirche in unser gesellschaftliches Zusammenleben – gerade, wenn wir weniger werden?"

Relevanz muss aufgezeigt werden

Die ebenfalls an der Studie beteiligte evangelische Hamburger Theologin Kristin Merle sagte der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", die Kirchen müssten nun beweisen, "trotz Minderheit gesellschaftlich relevant zu sein". Inzwischen sei es in der Gesellschaft eher begründungspflichtig, Mitglied in der Kirche zu sein als auszutreten.

Insbesondere mit Blick auf die katholische Kirche fügte sie hinzu: "Eine konservative Position wird unter den Befragten mit großer Mehrheit klar abgelehnt."

Quelle:
KNA