DOMRADIO.DE: Wie hat sich die Zufriedenheit von Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt?
Gert Pickel (Professor für Religions- und Kirchensoziologie an der Universität Leipzig): Die ist eigentlich relativ konstant geblieben. Es gibt jetzt wieder leichte Abschwünge. Das ist natürlich mit den Krisen und mit der sozialen Lage, die sich verschlechtert hat, in Zusammenhang zu bringen. Aber sonst bewegt sich da häufig nicht viel, das ist eine relativ konstante Größe, die sich aber über die Sozialstruktur der Gesellschaft doch unterscheidet.
DOMRADIO.DE: Wir leben ja in einer immer stärker säkularen Welt. Die Kirchen und die Religion spielen eine geringere Rolle als vor noch 30 Jahren. Kann man sagen, dass die Menschen früher glücklicher waren?
Pickel: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Man muss es so sehen: Auf der einen Seite haben wir, was ein wichtiger Faktor ist, natürlich einen höheren Wohlstand, der sich in den letzten 60, 70 Jahren ausgebreitet hat. Wir haben auf der anderen Seite aber eine gewisse Vereinsamung, so viele Singles wie noch nie. Die sind unzufriedener mit ihrem Leben. Man merkt, es geht in unterschiedliche Richtungen und man kann es nicht ganz pauschal so sagen.
DOMRADIO.DE: Welchen Einfluss hat denn Religion auf die Zufriedenheit von Menschen?
Pickel: Auch da ist das Ergebnis ein bisschen uneindeutig. Wir wissen aus Studien, dass zum Beispiel, und das ist in den USA viel stärker noch als in Deutschland, Religion gerade im Gesundheitswesen eingesetzt wird, weil es eben das Wohlbefinden gerade nach einer Krankheit sehr stark steigert.
In dem Moment, wo einem etwas passiert, ist Religion sehr, sehr hilfreich. Umgekehrt haben wir Studien, die uns eigentlich kaum große, gute Effekte im Blick über die Gesamtgesellschaft anbieten. Es ist noch ein bisschen unklar. Wo sicherlich Stärken liegen, ist eben einerseits im Gesundheitsbereich, aber andererseits auch durch das Schaffen von Räumen. Kleine Räume, wo man Leute kennenlernt. Und das Zusammensein mit anderen ist etwas, das zur Zufriedenheit beiträgt.
DOMRADIO.DE: Was können die Kirchen heute gegen die Unzufriedenheiten von Menschen tun?
Pickel: Auf jeden Fall das, was sie in Teilen schon tun, erhalten, nämlich die Seelsorge, auch das Vor Ort sein und natürlich auch das Angebot, soziale Gruppen jeglicher Art in der Nähe von Kirche anzusiedeln.
Denn in dem Moment, wo man Gruppen schafft, wo man Anschluss schafft, wo man Kommunikationsmöglichkeiten schafft und dadurch vielleicht auch mit dem Glauben eine gewisse Sicherheit in Krankheitsphasen gewährleisten kann, trägt man auf jeden Fall zur Zufriedenheit bei.
Das Interview führte Hilde Regeniter.