"Eine Grenze wird überschritten. Das muss uns klar sein", schreibt Kardinal Christoph Schönborn in seiner wöchentlichen Kolumne in der Gratiszeitung "Heute" (Freitag) zum Entwurf der Regierung für ein "Sterbeverfügungsgesetz", dessen Begutachtungsfrist an diesem Freitag endet. Am Morgen hatte die katholische Österreichische Bischofskonferenz in einer umfassenden Stellungnahme zahlreiche Kritikpunkte an dem Gesetz für Beihilfe zum Suizid aufgelistet.
Gravierende Vorbehalte
Schönborn erkannte in seinem Beitrag zwar an, der Gesetzesentwurf bemühe sich, "Grenzen zu ziehen, vor Missbrauch zu schützen und die Hospizarbeit zu fördern". Dennoch blieben gravierende Vorbehalte gegenüber der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs und deren Umsetzung, dass es in Ausnahmefällen straffrei sein soll, einem Menschen bei der Selbsttötung zu helfen.
Druck Leben zu beenden
Schönborn erinnerte an andere Länder, die eine Beihilfe zur Selbsttötung straffrei stellten: "In kürzester Zeit" sei dort aus dem Ausnahmefall eine gesellschaftlich akzeptierte Normalität geworden. "Es entsteht ein Druck, sein Leben zu beenden, um anderen nicht zur Last zu fallen", warnte der Wiener Erzbischof.
Ungeklärte Fragen
Und er fügte eine Reihe besorgter Nachfragen hinzu: "Wer kann den Sterbewunsch eines Menschen wirklich beurteilen? Ist es Ärzten, Notaren, Patientenanwälten zuzumuten, über Leben oder Tod zu entscheiden? Dürfen Ärzte gar verpflichtet werden, das Leben eines Menschen zu beenden? Beginnt hier das Geschäft mit dem Tod?"
Problematische Grenzüberschreitungen
Jedes Leben habe bis zu seinem natürlichen Ende einen unverfügbaren Wert, betonte der Kardinal. "In Würde leben, das wünschen wir uns alle. Und auch, in Würde sterben zu können." Auch wenn das Leben zur Qual wird und das Sterben wie eine Befreiung erscheint, seien Grenzüberschreitungen höchst problematisch, machte Schönborn in seinem Kommentar mit dem Titel "Unverfügbar" deutlich.
Missachtung von gerichtlichen Vorgaben
Die Bischofskonferenz kritisierte in ihrer Stellungnahme am Freitag unter anderem, der Gesetzentwurf gehe viel zu weit und missachte bestimmte Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes. Durch die vorgeschlagene Regelung der Beihilfe zum Suizid werde Missbrauch und die Beeinflussung vulnerabler Personen nicht verhindert werden können, mahnen die Bischöfe.
Konkret kritisieren sie, dass die Straflosigkeit der Beihilfe weder an das Vorliegen einer Sterbeverfügung noch an zwölf Wochen Bedenkzeit gebunden ist. Zudem sei die psychische Beihilfe zum Suizid ausnahmslos straflos. Auch werde die Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen nicht in jedem Fall verpflichtend von einem Psychologen beurteilt.