Gespanntes Warten auf das Ergebnis der Gespräche zwischen Piusbrüdern und Vatikan

Es könnte ein Ultimatum geben

Sie tagen noch und verhandeln über eine mögliche Einigung im Guten: der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, und der Obere der umstrittenen Piusbruderschaft, Bernard Fellay. Im domradio.de-Interview spricht KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel über mögliche Ergebnisse und deren potentielle Auswirkungen auf die Papstreise in der kommenden Woche.

 (DR)

domradio.de: Meinen Sie, es kommt dazu, dass die Piusbrüder und die Glaubenskongregation eine gemeinsame Ebene finden?--
Ludwig Ring-Eifel: Ich erwarte schon, dass es da eine Einigung gibt, noch keine vollkommene Einigung, dass man jetzt schon die Wiedereingliederung der Piusbrüder in die katholische Kirche vornehmen kann, aber doch einen weiteren Schritt auf dem Weg dorthin. Ich könnte mir vorstellen, dass man ihnen etwa in der Form eines Ultimatums sagt: Wenn Ihr das Konzil unter den und den Bedingungen, unter den und den Interpretationshilfen akzeptiert, dann könnt Ihr zurückkehren. Vielleicht verbunden mit einer Frist, innerhalb derer sich die Piusbrüder dann äußern müssen. Aber auf jeden Fall ein weiterer Schritt der Annährung.

domradio.de: Warum besteht denn überhaupt das Verlangen, dass sich Piusbrüder und Vatikan miteinander einigen? Es handelt sich doch bei der Lehre der Piusbrüder eindeutig um extremistische Einstellungen, die nicht mehr zur heutigen Zeit passen?--
Ring-Eifel: Das sehen zumindest die Piusbrüder selbst ja ganz anders. Sie sagen, dass sie die wahre katholische Lehre verteidigen und dass ein Großteil der katholischen Kirche seit dem Konzil von der wahren Lehre abgewichen ist. Und darum ist jetzt über Monate gestritten und diskutiert worden, es hat sich da eine Kommission getroffen aus hervorragenden Theologen - von beiden Seiten übrigens -, die etwa 10-12 Sitzungen miteinander über zentrale Lehrfragen debattiert haben. Und das Spannende ist jetzt zu sehen, was denn da eigentlich herausgekommen ist? Sind die Positionen wirklich extremistisch, wie Sie sagen, oder sind sie nur besonders konservativ. Der Papst ist offenbar der Meinung, dass sie nicht extremistisch sind, sondern auch ihren Platz in der Kirche finden sollen.

domradio.de: Vor allem Bischof Williamson ist mehr als umstritten. Was hat die katholische Kirche davon, wenn die Piusbrüder einen offiziellen Platz innerhalb der Kirche einnehmen?--
Ring-Eifel: Ich halte es für fatal, wenn man Bischof Williamson als den Exponenten dieser Piusbrüderschaft sieht. Er ist der extremste und bekannteste Vertreter durch dieses merkwürdige Interview, er ist aber innerhalb der Piusbrüderschaft längst isoliert, er hat keine Funktion mehr, er ist sozusagen strafversetzt und wohnt in einem privaten Wohnheim irgendwo in England und hat wie gesagt keinerlei Funktion mehr. Das wäre ungefähr so, als wollte man die katholische Kirche nach dem beurteilen, was Frau Ranke-Heinemann von sich gibt. Also man kann nicht den extremsten Sprecher einer Gruppe zum Maßstab für den Kern dieser Gruppe nehmen.

domradio.de: Was wären die Auswirkungen für den Papstbesuch in Deutschland, wenn die Piusbrüder kirchenrechtlich anerkannt würden oder man zumindest einen Schritt in diese Richtung täte?--
Ring-Eifel: Ich glaube nicht, dass das große Auswirkungen auf den Papstbesuch haben wird, weil es sich ja noch nicht um die Wiederaufnahme handeln wird. Es wird ja nur ein weiterer Schritt oder eine weitere Bedingung auf dem Weg dorthin sein, und das ist eine innerkirchliche, theologische Debatte, die da geführt wird. Ich glaube nicht, dass sich das auf den Papstbesuch auswirkt.

domradio.de: Meinen Sie nicht, dass wird Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Papst sein, die sagen, der Papst sei ohnehin viel zu konservativ?--
Ring-Eifel: Keine Ahnung, wie die Kritiker damit umgehen werden. Die Deutschen neigen natürlich immer dazu, ihre eigenen Vorurteile gern bestätigt zu finden in Dingen, die irgendwo anders geschehen oder die andere Menschen tun. Ich hoffe aber, dass es dem Vatikan gelingt, die Kommunikationspannen zu vermeiden, die es im Jahr 2009 gab, als damals die Exkommunikation aufgehoben wurde, die ja hinterher der Papst auch eingeräumt hat, er hat ja gesagt: Das war ein kommunikativer Super-Gau, was mir da passiert ist. Ich hoffe, dass solches unterbleiben wird, und das man stattdessen klar vermitteln kann, was man dort theologisch tut, und dass es sich da um eine rein innertheologische Debatte handelt.



Das Interview führte Christian Schlegel.



Hintergrund

Am Vormittag haben im Vatikan Gespräche mit der Leitung der traditionalistischen Priesterbruderschaft "St. Pius X." über Möglichkeiten und Bedingungen einer kirchlichen Einigung begonnen. Am Sitz der Glaubenskongregation trafen deren Präfekt, Kardinal William Levada, und der Obere der Piusbruderschaft, Bernard Fellay, zusammen.



Vorausgegangen waren zwischen Oktober 2009 und Mai 2011 mehrere Dialogrunden, in der Theologen beider Seiten strittige Sachfragen wie die Geltung des päpstlichen Lehramtes und die Verbindlichkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) erörterten. Über das Treffen, von dem der mögliche weitere Verlauf der Einigungsbemühungen abhängt, wird anschließend ein Kommunique erwartet.