Der "Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit" findet zum 20. Mal statt; die Veranstalter erwarten mehr als 8.000 Entscheidungsträger aus Politik, Kliniken, Gesundheitswirtschaft, Ärzteschaft sowie Forschung, Pflege und Krankenkassen. Bei der Premiere 1998 waren es 800.
Kongresspräsident Ulf Fink sieht den Wert der Veranstaltung darin, "alle Beteiligten ins Boot zu holen" und einen Dialog auf Augenhöhe zu ermöglichen. Die Segmentierung im Gesundheitssystem müsse überwunden werden.
Qualität und nachhaltige Finanzierung
Leitthemen bei der bis Donnerstag dauernden Versammlung sind diesmal Qualität und nachhaltige Finanzierung. Dabei geht es vor allem um eine langfristige Finanzierung des Gesundheitswesens, die Frage, ob die Trennung zwischen Privaten und Gesetzlichen Krankenkassen zugunsten einer Bürgerversicherung aufgehoben wird und ob es eine Rückkehr zu einer paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge gibt.
Wegen der guten Beschäftigungslage in Deutschland haben die Kassen zuletzt ein gutes Finanzpolster aufbauen können. Seit drei Jahren allerdings steigen die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung wieder stärker als die Einnahmen. Und für die nächsten Jahre sagen Fachleute kräftig steigende Zusatzbeiträge voraus.
Hinzu kommt, dass die Bundesregierung etliche teure Reformprojekte begonnen hat: das Krankenhausstrukturgesetz, den Umbau der ambulanten Versorgung, den weiteren Ausbau der Telematik-Infrastruktur und die Stärkung von Prävention sowie die grundlegende Reform der Pflegeversicherung.
Unterschiedliche politische Ansätze
Dass das Nebeneinander von Privaten und Gesetzlichen Kassen reformbedürftig ist, sehen viele Experten so. Doch während die Grünen und die Linke eine einheitliche Bürgerversicherung fordern, spricht sich die SPD nur noch für eine Angleichung der gesetzlichen und privaten Versicherungen aus. Die FDP will eine höhere Durchlässigkeit zwischen beiden. Die Versicherten sollen künftig die Wahl zwischen verschiedenen Tarifen und Selbstbeteiligungen haben. Die CDU lehnt "eine staatliche Einheitsversicherung für alle" ab; sie plant allerdings Reformen bei den Privaten Versicherungen.
Ein zweites zentrales Thema des Kongresses ist die Frage, wie sich Qualität in der Gesundheitsversorgung messen lässt. Eine zentrale Frage, denn nach Jahren der Kostendämpfungspolitik hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Das Gesundheitswesen soll unter Berücksichtigung exakter Qualitätskriterien gesteuert werden.
Schließlich hatte auch der Deutsche Ethikrat im vergangenen Jahr festgestellt, dass das Wohl des Patienten in deutschen Krankenhäusern wegen der zunehmenden Ökonomisierung zunehmend auf der Strecke bleibe. Ziel müsse sein, das Patientenwohl zum zentralen Leitmotiv im Krankenhaus zu machen.
Big Data im Gesundheitswesen
Auch andere aktuelle Themen stehen auf der Agenda des Kongresses: Wie weit lässt sich Big Data im Gesundheitswesen nutzen, wie zuverlässig sind Gesundheits-Apps, wie lässt sich die Prävention stärken und wie lassen sich Barrieren zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung abbauen. Der unter dem Dach des Hauptstadtkongresses stattfindende Managementkongress dreht sich vor allem um Telemedizin und Robotik.
Eröffnet wird der Kongress von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Aber auch Politiker aller Bundestagsfraktionen werden sich zu den gesundheitspolitischen Positionen ihrer Parteien äußern.
So dürfte die von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erhobene Forderung nach einer Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung für Diskussionen sorgen. Arbeitnehmer würden laut SPD durch gleich hohe Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren.
Zentrale Themen der kommenden Legislaturperiode des Bundestags dürften die Gesundheitsversorgung und ihre Finanzierung in der alternden Gesellschaft, die Digitalisierung und der Ausbau der Telemedizin inklusive der elektronischen Gesundheitskarte sein. Auch Fragen nach der ärztlichen Versorgung auf dem Land, der Zahl der Krankenhäuser und Maßnahmen gegen den Pflegenotstand müssen gelöst werden.