Gesundheitsreform: Ärzte und CDU-Abgeordnete wollen nachbessern

Weitere Änderungswünsche vor der Kabinettsentscheidung

Ärzte und Unions-Politiker dringen auch kurz vor der Verabschiedung der Gesundheitsreform im Kabinett auf Änderungen. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn stellte am Dienstag Teile des Gesetzentwurfs zur Privaten Krankenversicherung (PKV) in Frage. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte vor einer Pleitewelle bei den Arztpraxen.

 (DR)

Ärzte und Unions-Politiker dringen auch kurz vor der Verabschiedung der Gesundheitsreform im Kabinett auf Änderungen. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn stellte am Dienstag Teile des Gesetzentwurfs zur Privaten Krankenversicherung (PKV) in Frage. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte vor einer Pleitewelle bei den Arztpraxen. Ein Beitrag von Tobias Fricke über die Neuregelungen für Nichtversicherte. Die Ärzte machen auf einem außerordentlichen Ärztetag in Berlin Druck. Auf der Tagung sprechen auch Gesundheitspolitiker von Koalition und Opposition. Die Ärzte fordern unter anderem mehr Geld für Honorare. Hören Sie ein domradio-Interview mit Dr. Frank Ulrich Montgomery, dem Vorsitzenden des Marburger Bundes. Er befürchtet einen Weg in die Zwei-Klassen-Medizin und wirft Bundesministerin Schmidt eine "Verluderung der Politik" vor.

Verfassungsrechtliche Bedenken
Spahn sagte, die Pläne für die PKV seien gut gemeint, aber kaum umzusetzen. Er habe verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgesehene Pflicht der privaten Kassen, auch zahlungsunfähige ehemalige Mitglieder oder gescheiterte Selbstständige aufzunehmen. Er widersprach auch Plänen, dass grundsätzlich der Staat einspringen soll, wenn Gesetzliche Krankenkassen (GKV) einen Zusatzbeitrag von Sozialhilfeempfängern fordern. Auch Sozialhilfeempfänger müssten dazu gebracht werden, ihre Krankenkasse zu wechseln, wenn dort der Zusatzbeitrag zu hoch sei. Daher dürfe der Sozialhilfeträger höchstens den durchschnittlichen Zusatzbeitrag aller Kassen für die Sozialhilfeempfänger zahlen.

West-Ost-Gefälle
Die sächsische CDU-Bundestagsagabgeordnete Veronika Bellmann sagte, die vorgesehene Entschuldung der GKV widerspreche dem angestrebten Wettbewerb. Es könne nicht angehen, dass sparsam arbeitende Ost-Krankenkassen wie die AOK Sachsen ihre Beiträge erhöhen müssten, um unwirtschaftlich arbeitenden Kassen im Westen aus den roten Zahlen zu helfen. Bellmann warf Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vor, auf diese Weise die von ihr favorisierte Einheitskasse durch die Hintertür einführen zu wollen.


Nachteile für die heutige Jugend
Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der Unions-Fraktion, der Chemnitzer Abgeordnete Marco Wanderwitz (CDU), kritisierte, bislang sei die im Koalitionsvertrag abgegebene Zusicherung nicht erfüllt worden, die Finanzierung der Sozialsysteme künftig demografiefest zu machen. Sollten keine Änderungen mehr erfolgen, wäre das ein Wortbruch gegenüber der jungen Generation. „Ohne Korrekturen können wir nicht zustimmen", betonte Wanderwitz. Zudem sei es ein Unding, Jugendlichen erst nach einer dreijährigen „Zwangsmitgliedschaft" in der GKV den Wechsel zu den Privatkassen zu ermöglichen. Auch die unterschiedliche Finanzierung der Mitversicherung von Kindern sei eine nicht zu akzeptierende Benachteiligung der privaten Krankenkassen und verfassungsrechtlich bedenklich.

Vernichtungsprogramm für Arztpraxen
Nach Berechnungen der KBV dürften den Praxen allein durch die Änderungen bei der PKV jährlich 2,1 Milliarden Euro Honorar verloren gehen. Der KBV-Vorsitzende Andreas Köhler sagte: „Die Reform ist in dieser Form ein Vernichtungsprogramm für Arztpraxen. Bereits heute ist jede dritte der 30 000 Praxen in wirtschaftlicher Not." Die Versorgung werde für alle Patienten deutlich schlechter.

Keine Einbußen bei Honoraren und Einkommen der Ärzte
Lauterbach sagte dagegen, die Ärzte führen mit der Reform sehr gut und müssten keinerlei Nachteile hinnehmen. Ihr Honorarsystem werde auf feste Eurobeträge umgestellt, die die kritisierten Punktwerte ablösen sollten. Zudem habe Qualität künftig eine deutlich größere Bedeutung, so dass gute Mediziner bei den Honoraren nicht weiter die Dummen seien. Auch müssten die Ärzte anders als andere Leistungserbringer keine Einbußen bei Honoraren und Einkommen hinnehmen. Dagegen müssten Krankenhäuser und Apotheken jeweils 500 Millionen Euro einsparen.
(ddp)

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