DOMRADIO.DE: Warum glauben Sie denn, dass es dieses Mal anders läuft als beim letzten Mal?
Norbert Röttgen (CDU-Politiker und Kandidat für den Parteivorsitz): Weil ich beim letzten Mal als ein Außenseiter in dieses Rennen gegangen bin, der eigentlich auch nicht gesagt hat "Ich werde das gewinnen", sondern der gesagt hat "Ich stehe für etwas ein, darum kandidiere ich". Nämlich dafür, dass die CDU sich grundlegend erneuern muss, wenn sie Wahlen gewinnen will und vor allen Dingen die Volkspartei der gesellschaftlichen Mitte bleiben möchte. Ich glaube, dass jetzt nach dem Wahlergebnis das viele so sehen und ich auch die Glaubwürdigkeit mit dem Ansatz vom letzten Mal in diesen Wettbewerb mit hineinbringe. Darum bin ich da kein Außenseiter mehr, sondern jetzt wären alle überrascht, wenn ich nicht kandidierte.
DOMRADIO.DE: Sie stammen aus einem tief religiösen Elternhaus, haben Sie mal erzählt. Das Katholischsein war für Ihre Eltern das Wichtigste. Jetzt hat die Kirche gerade ja nicht den besten Ruf. Wie gehen Sie damit um? Warum sind Sie noch katholisch?
Röttgen: Sie haben zunächst vom Glauben gesprochen und dann von der Kirche als Institution, der ich auch sehr anhänge, in ihr lebe und mit ihr und in ihr natürlich auch leide. Aber wenn ich vom Politischen spreche, dann geht es natürlich um den Glauben an dieser Stelle. Um die Kernbotschaft des Christlichen, für die es ja keine Bereichsausnahmen gibt, weder im Privaten und schon gar nicht im Politischen, als von der Institution. Es geht um den Glauben als das geistige Zentrum sowohl meiner Partei, der CDU, als auch für mich in meinem politischen Handeln. Das ist das Zentrum, von dem sich dann konkrete Politik ableitet. Das ist der Stellenwert des Glaubens für mich in der Politik.
DOMRADIO.DE: Klassische katholische Themen wie zum Beispiel Lebensschutz haben ja im Bundestagswahlprogramm der Union keine so große Rolle gespielt. Muss die CDU wieder mehr zum "C", zum Christlichen zurückfinden?
Röttgen: Zurückfinden würde ich so nicht sagen. Ich glaube, wir sollten betonen, was das C für die CDU immer war und auch heute ist und bleiben muss, wenn wir die CDU bleiben. Nämlich, wie eben gesagt: Es ist das geistige Zentrum. Und dieses Zentrum kann man natürlich auch konkretisieren. Es ist das christliche Bild vom Menschen.
Es ist die universelle Idee, dass jeder Mensch absolut gleich ist in seiner von Gott und der Ebenbildlichkeit Gottes abgeleiteten individuellen Würde, Personalität und Freiheit. Und zwar nicht nur im eigenen Land, sondern wo auch immer der Mensch lebt, ist er Ebenbild Gottes. Und übrigens auch, wann auch immer er lebt. Auch die nächste Generation nimmt schon an dieser Würde teil. Und damit ist die Ausstrahlung dieses Menschenbildes auf die gesamte Politik vorhanden.
Übrigens nicht nur auf ein Thema bezogen. Sie haben das Thema Lebensschutz angesprochen. Das ist natürlich wichtig, aber das Wichtigste ist die Universalität und die Zentralität dieses Bildes. Zum Beispiel auch in der Außenpolitik ist es darum ein ganz entscheidender Maßstab. Die Verengung auf einzelne Themen habe ich immer für falsch gehalten. Wir müssen die Breite und die Tiefe betonen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es aus mit dem Umweltschutz, der Bewahrung der Schöpfung - gehört das auch dazu?
Röttgen: Ja genau, natürlich zählt es dazu, weil diese Welt und alles was sich darin befindet vom Schöpfungswillen getragen ist und dadurch Würde erlangt. Nicht nur der Mensch allein, sondern auch die Umgebung des Menschen ist geschaffen und hat eigenen Wert, eigene Bedeutung und eigene Würde. Ich war ja vor gut zehn Jahren Bundesumweltminister und seither haben mich diese Themen - Klima, Artenvielfalt, Naturschutz, Umweltschutz - nicht mehr losgelassen. Sie gehören aus meiner Sicht zur unmittelbaren Verantwortung des Menschen für diese Schöpfung, für sich selber. (!!!) Es ist ja die Klugheit der Schöpfung, dass sie die Grundlage des Menschen ist - vor allen Dingen auch für die Zukunft und Generationenverantwortung.
DOMRADIO.DE: Diese Woche werden sich die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz den Fragen der Parteimitglieder stellen. Als erster ist Friedrich Merz dran, am Mittwoch dann Sie und am Donnerstag Kanzleramtschef Helge Braun. Gibt es eine Frage, auf die Sie schon lange warten, dass in die mal einer stellt?
Röttgen: Ich hoffe, dass es ganz interessante und vielleicht unerwartete Fragen gibt, das macht die Sache ja interessant. Und darum freue ich mich. Das wird ein intensives 90 Minuten Frage-Antwort-Spiel sein und das finde ich sehr gut.
Das Interview führte Heike Sicconi.
Zum Thema Glaube und Politik haben wir ebenfalls mit dem CDU-Vorsitzkandidaten Helge Braun gesprochen.