DOMRADIO.DE: Was war denn Ihr genauer Job im Aachener Dom? Ist es das Ziel, dass die Domglocken zu Weihnachten besonders gut klingen und in Ordnung sind?
Norbert Jachtmann (Glockensachverständiger und Kirchenmusiker): Ja, das kann man so sagen. Einmal im Jahr werden die Glocken gewartet. Gerade vor Weihnachten ist es wichtig, dass da kein Ausfall stattfindet. Alle Glocken sollten betriebsbereit sein. Alle Funktionen sollten laufen, sodass an Weihnachten nicht schiefgeht.
Dafür ist man in erster Linie da. Es gibt Wartungsfirmen, bei denen die Mitarbeiter Motoren kontrollieren oder die Glockengießerei, die die ganze Mechanik an der Glocke nachschaut, alle Klöppel und Schrauben nachzieht. Ich komme dann dazu und kontrolliere deren Arbeit.
DOMRADIO.DE: Ist das eine rein handwerkliche oder auch eine musikalische Aufgabe? Sie sind ja auch Kirchenmusiker.
Jachtmann: Wenn ein Klöppel runterfällt, wäre das schon der "worst case". Ich bin von Hause aus Musiker. Ich achte darauf, dass die Glocken eine richtige Höhe haben, dass sie ihren Klangcharakter richtig entfalten. Sie müssen gleichmäßig in beide Richtungen läuten, sodass der Klöppel an der richtigen Stelle anschlägt.
Wichtig ist auch, dass die Klöppelintensität ausgewogen ist. Das kann ich mit den heutzutage guten elektronischen Mitteln machen. Mit den Monteuren, die vor Ort sind, spreche ich mich dann ab, dass die eine Glocke vom Motor etwas höher oder etwas niedriger gezogen wird, sodass der Klöppel noch besser anschlägt.
Das sind kleine Veränderungen. Aber aufmerksame Menschen hören den Unterschied. Dafür bin ich da, dies abzugleichen und immer wieder auf dem besten Stand zu halten.
DOMRADIO.DE: Wie oft wird denn zum Beispiel im Aachener Dom nach den Glocken geschaut? Jedes Jahr vor Weihnachten?
Jachtmann: Ja, genau einmal im Jahr. Das ist die Regel. Die Kirchengemeinden sollten es einrichten, dass der Wartungsdienst einmal im Jahr kommt. Im Aachener Dom ist das vor Weihnachten der Fall.
Aber Glocken kann man nicht wie andere Instrumente stimmen. Die sind einmal gegossen und fertig gestimmt. Man kann nur an ihrer Intonation, also an dem Anschlagsverhalten des Klöppels arbeiten. Da kann man was tun, damit die Glocke richtig erklingt. Selber die Glocke stimmen, kann man im Nachhinein nicht mehr. Das sollte man auch nicht tun.
DOMRADIO.DE: In der Regel gibt es gerade in den großen Kirchen nicht nur eine Glocke, sondern mehrere. Das Geläut sollte dann auch stimmig sein. Geht es dabei hauptsächlich darum, dass der Klöppel immer zum richtigen Zeitpunkt die jeweilige Glocke anschlägt?
Jachtmann: Genau. Da gibt es Läute-Ordnungen, nach denen die Glocken eingeschaltet werden. Sie sind auch harmonisch und musikalisch aufeinander abgestimmt, sodass man also verschiedene Glocken zu verschiedenen Anlässen miteinander kombinieren kann.
Gerade zu Weihnachten werden natürlich die meisten Glocken geläutet. Alle acht im Aachener Dom. Die sind von vornherein musikalisch aufeinander abgestimmt. Da kann man nichts mehr dran verändern.
Nur die Art und Weise, wie sie geläutet werden, also welche Glocke man mit welcher kombiniert, ist unterschiedlich. Da mache ich auch Vorschläge, welche Glocke man am besten zu welchen Gelegenheiten innerhalb einer Läute-Ordnung nimmt. Das hat dann der Aachener Dom für sich ganz speziell entwickelt. Mit acht Glocken kann man sehr viele Kombinationen läuten. Das ist sehr mathematisch.
DOMRADIO.DE: Sie erledigen Wartungsarbeiten im Bistum Aachen, im Bistum Essen und im Erzbistum Köln. Das sind sicher sehr viele verschiedene Glocken. Die schauen Sie sich aber nicht alle an, oder?
Jachtmann: Ich schaffe das in meinem Leben nicht, alle Glocken zu besichtigen. Es ist auch nicht Sinn der Sache. Ich werde immer gerufen, wenn konkrete Maßnahmen anstehen, wenn also die Gemeinden mit den Glockenfirmen was aushandeln müssen, wenn bei einem wackelndem Kirchturm oder bei der Erneuerung von Gebäuden oder beim Austausch von Glocken Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Dann komme ich dazu. Aber ich sehe nicht jede Glocke einzeln, das wäre zu viel. Das kann man gar nicht schaffen.
DOMRADIO.DE: Können Sie persönlich an Weihnachten denn dann das Glockenläuten genießen? Man hat ja manchmal diese Berufskrankheit. Man hört dann hin und denkt: Da könnte der Klöppel ein bisschen später und hier ein bisschen früher klingen.
Jachtmann: Ja, das stimmt schon. Aber ich genieße auch den Glockenklang als solchen. Gerade meiner Heimatstadt in Krefeld habe ich ganz besondere Glocken. Die genieße ich auch an Weihnachten. Da kann ich gut zuhören und höre auch nicht so kritisch hin wie woanders, wo ich gefordert bin.
Die Glocke als solches ist ja ein tolles Instrument mit vielen Tönen. Wahrhaftig viele Töne sind in der Glocke zu hören. Das ist für mich der Reiz, als Musiker nicht nur den einen Ton herauszuhören, sondern die vielen.
Das Interview führte Dagmar Peters.