Glücksforscher sieht Verbindung zwischen Glück und Glaube

"Jeder Sonnenstrahl ist ein Geschenk"

Der 20. März ist Weltglückstag - doch wie wird man glücklich? Anton Bucher ist Theologieprofessor und Glücksforscher. Er erklärt den Zusammenhang zwischen Spiritualität und Glück und gibt im Gespräch Tipps zum Glück.

Spiritualität (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was macht Sie selbst glücklich?

Prof. Dr. Anton Bucher (Professor für Religionspädagogik am Fachbereich Praktische Theologie, Universität Salzburg und Glücksforscher): Dieses Interview zu führen, meine alltägliche Arbeit und meine täglichen Sozialkontakte. Überall kann einem jeder Augenblick glücklich machen. Vor allem dann, wenn Menschen eine Haltung der Dankbarkeit entwickeln. 

Glücksforscher Anton Bucher / © Universität Salzburg
Glücksforscher Anton Bucher / © Universität Salzburg

Wenn man ein bisschen älter wird, wird einem sicherlich auch bewusst, dass im Grunde genommen jeder Herzschlag in uns drinnen letztlich ein Geschenk ist. Jeder Sonnenstrahl ist ein Geschenk. Einer der erwiesenermaßen effizientesten Strategien, glücklich und zufrieden zu werden, besteht darin, dankbar zu sein. 

Anton Bucher

"Wer dem Glück nachjagt, der verjagt es auch." 

Besonders glücklich macht mich die Bewegung und Aktivität, selber etwas zu tun. Weniger relevant sind für mich materielle Faktoren und Konsumfaktoren. Das soll natürlich nicht ausschließen, am Abend ein angenehmes Feierabendbier mit Freunden genießen zu können. 

Der Kölner Dom: Ort der Spiritualität und Touristenattraktion / © Michael Borgers (DR)
Der Kölner Dom: Ort der Spiritualität und Touristenattraktion / © Michael Borgers ( DR )

Was ich als sehr problematisch erachte ist, wenn Menschen bewusst dem Glück nachjagen. Da bewahrheitet sich das alte Sprichwort: "Wer dem Glück nachjagt, der verjagt es auch." Empfänglicher für das Glück ist vielmehr, wer für die vielen schönen Eindrücke, die uns das Leben immer wieder schenkt, offen ist.

Anton Bucher

"Wenn wir mit unseren Fingerkuppen über 500 Euroscheine streicheln, wird kein Oxytocin ausgeschüttet."

DOMRADIO.DE: Glück ist erst mal eine ziemlich abstrakte Angelegenheit. Denn was den einen glücklich stimmt, das stimmt den anderen vielleicht unglücklich. Gibt es trotzdem eine wissenschaftlich fundierte Definition von Glück?

Bucher: Glück wird üblicherweise zu den Emotionen gerechnet, die auch mit bestimmten Gehirnprozessen einhergeht. Es wird Dopamin ausgeschüttet. Das macht uns aktiv und neugierig. Serotonin beschleunigt die Informationsweitergabe zwischen den Synapsen. Es wird auch Oxytocin ausgeschüttet. Das sogenannte Kuschelhormon geht einher mit vielfach tiefen Glückserfahrungen.

Freiwillige Helfer umarmen sich / © Gennari/Siciliani (KNA)
Freiwillige Helfer umarmen sich / © Gennari/Siciliani ( KNA )

Wenn wir mit unseren Fingerkuppen über 500 Euroscheine streicheln, wird kein Oxytocin ausgeschüttet. Anders hingegen, wenn wir einen lieben Menschen umarmen und das länger als zwölf Sekunden dauert, wird sehr viel davon ausgeschüttet. Das hat man gemessen. Kognitive Komponenten sind am Glückserleben auch beteiligt. Ich weiß, was mich glücklich macht, aber an sich ist es eigentlich eine Emotion.

Anton Bucher

"Es gibt zahlreiche Studien, die bestätigen, dass spirituelle Menschen glücklichere Menschen sind."

DOMRADIO.DE: Sie forschen an der Schnittstelle zwischen Psychologie und und Theologie. Was ist Ihre Erkenntnis? Macht es einen Menschen womöglich glücklicher, wenn er oder sie an einen Gott glaubt?

Bucher: Das Verhältnis zwischen Glück und Religion ist ambivalent. Wir sind in einer bestimmten Tradition, gerade im Christentum, die dem Glück misstraut hat. Etwa Augustinus, der unser Leben zu Hause im Jammertal beschrieben hat. Er war der Meinung, dass der Mensch nicht glücklich sein könne. Für ihn gab es nur die Hoffnung auf die jenseitige Glückseligkeit. 

Ich habe auch noch im Katechismus der Volksschule gelernt, dass wir auf Erden sind, um die Gebote Gottes und der Kirche zu halten. Dereinst in die himmlische Glückseligkeit einzugehen, aber nicht, hier schon Glück beanspruchen zu wollen. Mittlerweile sieht das die Theologie anders, wohlgesonnen dem Glück gegenüber. 

Symbolbild Betende Frau / © d.ee_angelo (shutterstock)

Es gibt zahlreiche Studien, die bestätigen, dass spirituelle Menschen glücklichere Menschen sind. Das wirft die Frage auf, was denn Spiritualität ist. Ich habe mir angewöhnt, Spiritualität als Verbundenheit zu konkretisieren. Verbundenheit mit der wunderbaren Natur, dem großen Kosmos, mit der sozialen Mitwelt und auch die Verbundenheit mit etwas Größerem, Transzendenten und Göttlichen. Solche Menschen sind erwiesenermaßen dankbarer, glücklicher und vielfach auch im physischen Bereich gesünder.

DOMRADIO.DE: Ist es vielleicht so, dass ich spirituelle Fähigkeiten entwickeln muss, damit ich mein Glück überhaupt wahrnehmen kann?

Symbolbild Papst Franziskus im Gespräch mit Journalisten / © Lola Gomez/CNS photo (KNA)
Symbolbild Papst Franziskus im Gespräch mit Journalisten / © Lola Gomez/CNS photo ( KNA )

Bucher: Ja, ich denke schon. Das eine wäre Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. "Mindfulness" heißt es im Englischen. Das kann geschult werden, vor allem durch regelmäßige Meditation. Einer der größten Glücksexperten, den wir aktuell haben, ist sicherlich der Dalai Lama.  

Dalai Lama, geistiges Oberhaupt der Tibeter / © Marijan Murat (dpa)
Dalai Lama, geistiges Oberhaupt der Tibeter / © Marijan Murat ( dpa )

Der meditiert mehrere Stunden täglich und strahlt dieses Glück regelrecht aus. In meinen Augen ist ein sehr glücklicher Mensch der jetzige Papst. Er macht einfach einen authentischen, erfüllten und gewinnenden Eindruck. Das kann geschult werden, vor allem durch regelmäßiges spirituelles Handeln. 

Anton Bucher

"Wir können versuchen, dort, wo uns das Leben hingestellt hat, human, menschlich und freundlich zu sein."

DOMRADIO.DE: Die Situation um uns herum hat sich in den vergangenen Jahren zugespitzt. Welche Rückkopplung hat so eine Gemengelage auf unser Bedürfnis, unser Streben nach Glück?

Bucher: Es sind mehrere Aktionen möglich, wenn mit einer tiefen Ohnmacht erfüllt werden. Es motiviert mich dann. Das sage ich auch unseren Studierenden. Wir können das nicht ändern, was in der Ostukraine passiert. Aber wir können versuchen, dort, wo uns das Leben hingestellt hat, human, menschlich und freundlich zu sein. 

Das ermöglicht, dass wir etwas tun können und das nimmt einem die Ohnmacht. Wir leben in einem friedlichen Land, um so tiefer kann die Dankbarkeit dafür sein, dass es so ist. Umso stärker kann die Bereitschaft sein, in unserem persönlichen Umfeld zu mehr Frieden, Menschlichkeit und Respekt beizutragen.

Anton Bucher

"Wenn du dein Leben lang glücklich sein willst, liebe deine Arbeit."

 

DOMRADIO.DE: Haben Sie zum Schluss unseres Gesprächs vielleicht noch ein Zitat zum Thema Glück, das Ihnen besonders gefällt?

Bucher: Ich habe ein chinesisches Sprichwort, das für mich persönlich sehr wichtig ist: "Glück kommt vor allem aus unserer Aktivität, aus unserem Tun und weniger aus unserem Konsum. Wenn du eine Stunde lang glücklich sein willst, öffne eine Flasche Wein. Wenn du eine Woche lang glücklich sein willst, schlachte ein Schwein. Wenn du einen Monat lang glücklich sein willst, heirate. Wenn du dein Leben lang glücklich sein willst, liebe deine Arbeit."

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Weltglücksbericht 2024

Finnland wird zum siebten Mal in Folge als glücklichstes Land der Welt gekürt. Während die skandinavischen Länder das Ranking anführen, rutscht Deutschland weiter ab.

Die glücklichsten Menschen der Erde leben weit oben im Norden. Zum siebten Mal in Folge ist Finnland das Land mit der glücklichsten Bevölkerung der Welt, wie aus dem jährlich erscheinenden Weltglücksbericht hervorgeht. Danach besetzen die Spitzenplätze erneut weitgehend nördliche Länder.

Sind religiöse Menschen glücklicher? / © Evgeny Atamanenko  (shutterstock)
Sind religiöse Menschen glücklicher? / © Evgeny Atamanenko ( shutterstock )
Quelle:
DR