Zerbricht die US-Bischofskonferenz an Joe Biden?

Gomez gegen Cupich

Vertritt der neue US-Präsident Joe Biden katholische Werte? Über diese Frage ist ein Streit in der US-Bischofskonferenz entbrannt, der alte Fronten zum Vorschein bringt. Protagonisten sind die Erzbischöfe von Los Angeles und Chicago.

Bischöfe / © Jeoffrey Guillemard (KNA)
Bischöfe / © Jeoffrey Guillemard ( KNA )

Eigentlich ist es ein Meilenstein für Amerikas Katholiken: Einer von ihnen ist jetzt Präsident. Nach John F. Kennedy ist Joe Biden nun der zweite katholische Präsident in den USA. Bis zur Wahl Kennedys hatte man so etwas für unmöglich gehalten. Ein Präsident müsse seinem Land verpflichtet sein und nicht dem Vatikan – deshalb sei es unmöglich, dass ein Katholik Präsident würde. Kennedy musste im Wahlkampf noch versichern, dass sein Katholizismus keinen Einfluss auf seine Politik nehmen werde.

Bei Biden sieht das anders aus. Kritik daran, dass nun wieder ein Katholik im Weißen Haus sitzt, gab es wenig – zumindest von der weltlichen Seite. Viele Katholiken sind erfreut, einen der ihnen im höchsten Amt des Landes zu sehen. Unter den Bischöfen der USA scheint das allerdings anders auszusehen. Dort ruft Bidens Amtsantritt nicht nur Kritik hervor, sondern führt sogar zu offenem Streit in der Bischofskonferenz – und laut Medienberichten sogar zu einer Intervention aus dem Vatikan.

Der Tag der Amtseinführung

Los ging alles mit einem Glückwunschschreiben: Am 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten, veröffentlichte der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, der Erzbischof von Los Angeles, Jose Gomez, ein Statement, in dem er Präsident Biden alles Gute wünschte, gleichzeitig aber auch ausführlich auflistete, was die katholischen Bischöfe an Bidens Politik zu kritisieren haben. Als "eine ernsthafte Bedrohung des Gemeinwohls" beschreibt Gomez darin vor allem Bidens Unterstützung der liberalen Abtreibungspolitik, aber auch seine Haltung zu Genderfragen. Dieser Schritt ist ungewöhnlich. In der Regel kommentiert die Bischofskonferenz einen Amtsantritt nicht. Das Glückwunsch-Telegramm zur neuen Präsidentschaft kommt üblicherweise direkt vom Papst.

Und das Telegram kam: Franziskus allerdings schlug in seinem Schreiben jedoch einen vollkommen anderen Ton an als die Bischofskonferenz. Der Papst wünschte Biden die Hilfe Gottes dabei, "Verständnis, Versöhnung und Frieden innerhalb der USA sowie unter den Nationen der Welt zu fördern, um das universelle Gemeinwohl voranzubringen". Auf das Konfliktthema Abtreibung ging der Papst mit keinem Wort ein, forderte aber "unermüdlichen Respekt" für Rechte und Würde jedes Menschen, "insbesondere der Armen, der Schwachen und derer, die keine Stimme haben".

Zwei verschiedene Schreiben, zwei verschiedene Schwerpunkte. Doch damit nicht genug: Von Rom aus habe man versucht, die US-Bischofskonferenz an der Veröffentlichung ihres Schreibens zu hindern, so mehrere Medien in den USA. Das Schreiben im Namen der Bischofskonferenz sei ursprünglich für 9 Uhr morgens angekündigt, aber erst am Nachmittag offiziell veröffentlicht worden. Das vatikanische Staatssekretariat habe interveniert und versucht, die Veröffentlichung zu verhindern. Nicht zuletzt wohl, weil es auch in Amerika Kritik gab - innerhalb und außerhalb der Bischofskonferenz. 

"Besonders unglücklich"

Die katholische Journalistin Heidi Schlumpf, Chefredakteurin des "National Catholic Reporter", findet das Schreiben von Erzbischof Gomez bedenklich. Im DOMRADIO.DE-Interview bezeichnet sie sein Vorgehen als besonders unglücklich: "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ausführlich aufzulisten, mit welchen politischen Zielsetzung man nicht zufrieden ist."

Ähnlich sieht das Blase Kardinal Cupich, der Erzbischof von Chicago, der in der Bischofskonferenz als Wortführer des liberalen Flügels gilt. Ungewöhnlich deutlich nahm er auf Twitter Stellung zu Gomez‘ Statement. Eine "unüberlegte Erklärung“ sei es gewesen. Die anderen Bischöfe hätten keine Zeit gehabt, daran mitzuarbeiten. Erst wenige Stunden vor der Veröffentlichung hätten Sie überhaupt von dem Schreiben erfahren. Das sei unüblich und zeige strukturelle Probleme in der Bischofskonferenz, die angegangen werden müssten, so Cupich.

Die Journalistin Schlumpf sieht in dieser Kritik "etwas, dass es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Dass ein Kardinal einen Erzbischof öffentlich so deutlich kritisiert, ist schon eine ziemliche Nummer.“

Ein alter Konflikt

Dabei ist die Auseinandersetzung zwischen Gomez und Cupich nichts Neues. Die beiden stehen für zwei Fraktionen in der Bischofskonferenz, die schon seit Jahrzehnten miteinander im Clinch liegen. Die US-Bischofskonferenz sei eher konservativ geprägt, stellte der Jesuit und Journalist Tom Reese 2018 fest. Der große Teil der Bischöfe sei durch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ernannt worden, und dementsprechend geprägt. Es gäbe einige ältere Bischöfe, die während der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils zu Priestern geweiht worden waren und ein paar junge, die von Papst Franziskus ernannt wurden. Diese moderate Fraktion stelle aber eine Minderheit in der Bischofskonferenz dar.

Der Konflikt zeigte sich etwa an der Besetzung des Lebenschutz-Komitees der amerikanischen Bischöfe im Jahr 2017. Blase Cupich wäre als Kardinal aus Chicago eigentlich für diesen Posten gesetzt gewesen. Die Bischofskonferenz entschied sich aber für den weniger erfahrenen Joseph Naumann aus Kansas City, obwohl dieser Posten traditionell mit einem Kardinal besetzt wird.

Gomez und Cupich

Als 2019 Jose Gomez zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt wurde, hat das auch über kirchliche Medien hinaus Schlagzeilen gemacht: der erste Chefbischof mit mexikanischer Abstammung aus einem Bistum, das stark interkulturell geprägt ist. In seiner Vergangenheit finden sich Verbindungen zur Gemeinschaft Opus Dei. Die Journalistin Schlumpf sieht Gomez selbst nicht als konservativen Hardliner, betont aber, dass er durchaus gute Beziehungen in solche Kreise pflegt. 

Kardinal Cupich auf der anderen Seite gilt als moderat. Er hat eine deutliche Präsenz im Vatikan, da er Mitglied der vatikanischen Bischofskongregation ist. Auch in Rom vertritt er liberale Positionen. Bei der Familiensynode 2015 sprach er sich für pastorale Lösungen für wiederverheiratet-geschiedene und homosexuelle Partnerschaften in der Kirche aus. Einige Beobachter sprechen sogar davon, dass der Entwurf der deutschen Bischöfe zur Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion maßgeblich von Cupich mit angestoßen wurde. 

Verhärtete Fronten

Wird der Streit "Gomez vs. Cupich" nun die gesamte Bischofskonferenz spalten? Obwohl der Konflikt nicht neu ist, kommt er mit der Kritik am neuen Präsidenten ein wenig mehr ans Licht der Öffentlichkeit. Man dürfe bei alledem nicht vergessen, dass es nicht nur um die beiden Bischöfe gehe, so Journalistin Schlumpf: "Sie stehen jeweils nicht alleine. Es sind nicht nur diese zwei Männer, auch wenn es sich in der aktuellen Lage darauf zuspitzt."

Amerika hat einen katholischen Präsidenten. Das könnte eigentlich eine Chance sein, mehr Menschen in den USA für den katholischen Glauben zu begeistern. Stattdessen steht in der Berichterstattung im Moment der Streit der Bischöfe im Fokus. Für die Journalistin Heidi Schlumpf ein fataler Schritt: "Ich finde das ziemlich problematisch. Das könnte jetzt eine Zeit sein, in der Katholiken etwas sehr Positives wiederentdecken. Wir haben einen praktizierenden Katholiken als Präsidenten, der zum größten Teil seinen Glauben lebt und versucht, das beste aus seiner neuen Position zu machen. Die Streitigkeiten zwischen den Bischöfen überschatten das alles."

Renardo Schlegelmilch

Zur Info: Das ausführliche Interview mit der Journalistin Heidi Schlumpf gibt es hier zum Nachlesen.


Jose Horacio Gomez Velasco (l.), Erzbischof von Los Angeles spricht während der virtuellen Herbstvollversammlung der USCCB / © Bob Roller (KNA)
Jose Horacio Gomez Velasco (l.), Erzbischof von Los Angeles spricht während der virtuellen Herbstvollversammlung der USCCB / © Bob Roller ( KNA )

Blase Joseph Cupich / © Paul Haring (KNA)
Blase Joseph Cupich / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR
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