DOMRADIO.DE: Die Kirchen sagen, sie wollen wieder öffentliche Gottesdienste feiern. Was hat die Kirchen jetzt dazu bewogen?
Pfarrer Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Wir hatten in Nordrhein-Westfalen wirklich das Glück, dass wir sehr konstruktiv mit der Staatskanzlei von Anfang an überlegt haben, wie wir uns am besten verhalten. Zunächst einmal war es geboten, dass wir auf Gottesdienste mit Öffentlichkeit verzichtet haben, weil wir auch gar nicht ganz genau wussten, wo die Reise hingeht. Was sind die Gefahren?
Wir sind jetzt in Anbetracht der positiven Entwicklungen – was die Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen angeht – gemeinsam mit der Staatskanzlei zu dem Ergebnis gekommen, dass es verantwortbar ist, unter bestimmten Voraussetzungen, also Abstand- und Hygieneregeln, wieder Gottesdienste mit Öffentlichkeit in unseren Kirchen feiern zu können.
DOMRADIO.DE: Was sind das genau für Auflagen, die aus diesen Voraussetzungen folgen?
Harmers: Es ist vor allem natürlich die Abstandregel. Die Abstandregel muss eingehalten werden. 1,5 Meter wird empfohlen. Und in den meisten Kirchen haben wir ohne Probleme die Möglichkeiten dazu. Jetzt müssen wir hingehen, die Kirchen entsprechend vorbereiten, dass in den Bänken die Plätze angegeben werden, wo wer sitzen kann, damit wir diese Abstände halten.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass bestimmte Hygieneregeln bei der Kommunionspendung eingehalten werden, dass da eben darauf geachtet wird, dass die Kommunion jetzt nicht zur Übertragung des Virus beitragen kann.
DOMRADIO.DE: Wie muss man sich das vorstellen? Mit Mundschutz kann man ja nicht zur Kommunion gehen...
Harmers: Richtig. Der Mundschutz ist bei der Kommunion schlecht. Insofern geht der Mundschutz nicht. Aber auch da ist wichtig, dass zwischen dem Kommunionspender und dem Kommunionempfänger natürlich nach Möglichkeit Abstand gehalten wird. Da müssen wir dann auch gucken, ob das eventuell mit einer Hilfsmaßnahme – wie mit einer Zange – gemacht wird.
Aber eigentlich soll das nicht geschehen, sondern der Kommunionspender muss sich selbstverständlich vorher nochmal die Hände desinfizieren oder wirklich so reinigen, dass da keine Infektionsgefahr besteht, um dann dem Kommunionempfänger die Kommunion zu reichen. Eine Mundkommunion kommt unter diesen Bedingungen im Moment nicht in Frage. Da wäre das Infektionsrisiko zu groß.
DOMRADIO.DE: Die Bistümer in Nordrhein-Westfalen haben jetzt noch eine Woche Zeit, um sich vorzubereiten. Wollen Sie da alle an einem Strang ziehen? Oder hat jedes Bistum seine eigenen Überlegungen?
Harmers: Nein. Wir haben Gott sei Dank in Nordrhein-Westfalen einen Kompromiss finden, beziehungsweise ein gemeinsames Vorgehen vereinbaren können. Alle fünf Bistümer haben sich gegenüber der Landesregierung, der Staatskanzlei, auf sogenannte Eckpunkte verständigen können, wo Grundregeln angegeben sind.
Und dann gibt es jetzt sogenannte Maßgaben, die das Ganze nochmal konkretisieren. Die sind auch für alle fünf Bistümer mehr oder weniger einheitlich. Es gibt kleinere Details, die noch mal verändert worden sind. Aber es gibt Maßgaben für alle fünf Bistümer, für die Pfarreien, damit dort die Leute vor Ort wissen, wie sie das umsetzen können und müssen.
DOMRADIO.DE: Fakt ist, dass auf jeden Fall weniger Menschen am Gottesdienst teilnehmen können. Die Pflicht für Katholiken zum Messbesuch am Sonntag war von den Bischöfen aufgehoben worden. Bleibt die Aufhebung bestehen?
Harmers: Zunächst ist es eine Chance, jeden Sonntag zur Messe zu gehen. Wir sind eingeladen dazu. Aber selbstverständlich gibt es auch das sogenannte Sonntagsgebot. Von diesem Sonntagsgebot wird weiterhin dispensiert, das heißt, da wird von befreit. Jeder ist frei darin zu entscheiden, ob er sonntags zum Gottesdienst geht oder ob er zum Beispiel die guten und vielen Angebote wahrnimmt, Gottesdienste im Internet, im Rundfunk oder Fernsehen zu verfolgen und auf diese Weise am kirchlichen Leben teilzunehmen.
Es gab zum Beispiel auch eine ganze Reihe Bistümer, die Hausgottesdienste vorbereitet und Material dazu angeboten haben. Da ist jeder frei, das für sich zu entscheiden, ob er jetzt zur Kirche geht oder ob er zu Hause weiterhin sein religiöses Leben in der Verbundenheit über das Internet oder über den Rundfunk pflegt. Und selbstverständlich legen wir auch den Menschen nahe, die zu Risikogruppen gehören, weiterhin von zuhause aus die Gottesdienste zu verfolgen.
DOMRADIO.DE: Der Mai ist der Marienmonat und ein klassischer Wallfahrtmonat. In Kevelaer in Nordrhein-Westfalen gibt es normalerweise eine ganz große Wallfahrt. Wie sieht es da aus? Die wird sicher in der bisherigen Form nicht stattfinden können, oder?
Harmers: Nein. Die großen Wallfahrtsorte wie Kevelaer oder Werl können natürlich ihren Wallfahrtsbetrieb nicht in der gleichen Art und Weise aufnehmen, wie das sonst mit den vielen Leuten der Fall gewesen wäre. Gerade auch, was draußen geschehen kann. Wenn ich mir Kevelaer in Erinnerung rufe: Kevelaer hat den schönen großen Kapellenplatz. Natürlich kann man da auch Abstand halten. Natürlich kann man da trotzdem auch hingehen. Natürlich kann man da auch weiterhin unter freiem Himmel Kerzen anzünden.
Wir müssen einfach gucken, dass wir selbstverständlich das religiöse Leben auch weiter pflegen. Aber eben mit den gebotenen Abständen, mit den gebotenen Maßgaben, um auf diese Art und Weise uns nicht zu gefährden. Und ich hoffe, dass gerade auch unter freiem Himmel mit den gebotenen Abständen Möglichkeiten geschaffen werden, zum Gottesdienst zusammenzukommen. Aber das muss sich jetzt auch einfach erst mal etwas einspielen.
Wir fangen jetzt am 1. Mai wieder an. Wir werden das sehr genau beobachten. Wie bewährt sich das alles? Man muss vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch nachsteuern. Aber dafür sind wir gut gerüstet und dafür stimmen wir uns in Nordrhein-Westfalen unter allen fünf Bistümern wirklich sehr vertrauensvoll, sehr konstruktiv und sehr gut auch wiederum mit den zuständigen Stellen auf der Landesseite, sprich mit der Staatskanzlei, ab.
Insofern bin ich da sehr zuversichtlich und freue mich, dass wir dann wieder mit Menschen und mit Öffentlichkeit Gottesdienste feiern können.
Das Interview führte Hilde Regeniter.