Selim, seine Tochter Khodesha und deren Kinder kauern im Schatten am Rand des Dorfes Harian Khali und warten auf die Verteilung von Essenspaketen. Sie sind vor der Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmars Teilstaat Rakhine geflohen und gerade erst im Distrikt Cox's Bazar in Bangladesch angekommen. Khodesha hält ihre 15 Tage alte Tochter Chuhtara im Arm.
"Chuhtara – das heißt 'Leuchtender Stern'", sagt die 35-Jährige mit dem locker um den Kopf geschlungenen Tuch.
Chuhtaras Start ins Leben war alles andere als leuchtend und auch ihre Zukunft scheint düster. Das Mädchen kam im von Tod, Gewalt und Unterdrückung gebeutelten Rakhine zu Welt. "Unser Haus und der kleine Laden wurden von Soldaten verbrannt, unser Land besetzt, das Vieh beschlagnahmt. Wir haben nichts mehr", sagt Selim. Sieben Tage nach der Geburt Chuhtaras floh er gemeinsam mit seiner Tochter Kodesha, ihren drei älteren Kinder und ihren in vier Plastiktüten verstauten Habseligkeiten zu Fuß nach Bangladesch. "Wir waren vier Tage unterwegs. Drei Tüten mussten wir unterwegs zurücklassen. Sie wurden zu schwer", sagt der bärtige Selim.
Auf der Flucht wurde Chuhtara durch einen Unfall schwer verletzt. An dem winzigen Köpfchen klafft eine große Wunde, es fehlt ein Stück Haut. Zudem ist der Säugling unterernährt. James Gomes von Caritas Bangladesch ist jedoch zuversichtlich, dass die Kleine durchkommt. "Die Ärzte in den Lagern schaffen das."
Einigung auf Rückkehr der Rohingya
Vor einer Woche einigten sich Myanmar und Bangladesch zwar auf eine Rückkehr der Hunderttausenden, doch die konkrete Umsetzung des Abkommens steht noch in den Sternen. Die Zustände in den Flüchtlingslagern jedenfalls sind katastrophal. Die Menschen leben in Hütten aus Plastik und Bambus. Zu wenig Latrinen stehen zu nah an zu wenigen Wasserpumpen. Durchfallerkrankungen und Hautkrankheiten grassieren. Caritas Bangladesch hat mit Hilfe der Caritas-Organisationen aus Deutschland und der ganzen Welt bislang rund 30.000 Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Die Ernährung der Flüchtlinge hat jetzt das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen übernommen.
Für die Caritas gibt es trotzdem weiter genug zu tun. "Die Trinkwasserversorgung muss verbessert werden. Wir verteilen Kochgeschirre als wichtiges Element zur Selbstversorgung", sagt Oliver Müller, Direktor von Caritas International, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Radikalisierung der Flüchtlinge befürchtet
Beobachter in Bangladesch fürchten eine mögliche Radikalisierung der Flüchtlinge durch islamistische Gruppen, die bereits Koranschulen eröffnet haben und Rohingya-Frauen Burkas aufzwingen. "Wir haben es mit Menschen zu tun, die wütend und zornig über ihre menschenunwürdige Behandlung in Myanmar sind. Wenn sie nicht bald eine Perspektive geboten bekommen, werden sie leichte Beute für Islamisten", warnt Professor Badiul Alam Majumdar (72). Zudem, so der Vorsitzende der Gruppe "Bürger für gute Regierungsführung", lebten in den Lagern Zehntausende junge Männer, die besonders anfällig für radikale Ideen seien.
Einer davon ist Zobier. "Das ist ein muslimisches Land. Hier sind wir sicher. Aber wir haben keine Arbeit und dürfen die Lager nicht verlassen", sagt der 17-Jährige mit mühsam unterdrücktem Frust in der Stimme. Zobier, der Mitte September mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder geflohen war, hofft nun auf eine baldige Rückkehr nach Rakhine. Aber er stellt Bedingungen: Bürgerrechte, Zugang zu Bildung, Garantie von Sicherheit, Entschädigung für das niedergebrannte Haus.
Zobier weiß aber auch, dass das ein Traum bleiben wird. Schlicht sagt er: "Aung San Suu Kyi mag keine Muslime."