Für manch einen kommt es gar nicht in die Tüte, in der Bahn oder im Flugzeug in der zweiten Klasse zu sitzen. Wer den Standard und den Luxus der ersten Klasse gewohnt ist, der gibt ihn nur ungern wieder auf. Schließlich hat man ja den besten Service verdient, die größtmögliche Beinfreiheit, exklusives Unterhaltungsprogramm.
Auch so manchen Bundesligaverein schmerzt es, wenn der Abstieg in die zweite Liga unausweichlich ist. Erstklassig zu sein, bei den besten der Besten zu spielen, das ist immerhin das erklärte Ziel von vielen Vereinen. Und dann möchte man auch jeden Titel holen - unter der "Königsklasse" geht nichts. Umso größer die Enttäuschungen, wenn es dann nicht mehr für die erste Liga reicht.
In der zweiten Reihe zu stehen, zweitklassig oder zweitrangig zu sein, das kommt uns Menschen oft wie ein herber Misserfolg vor. Wir wollen doch ganz vorne mit dabei sein, für die anderen sichtbar, das Sagen haben. Wer "nur" in der zweiten Klasse sitzt, der kennt oft den Drang, weiter nach vorne zu kommen, sich irgendwie auch die erste Klasse zu erarbeiten. Es gibt noch Luft nach oben. Und das ist für viele Menschen ein Anreiz, noch besser zu werden, als man sowieso schon ist.
Er weiß, wo sein Platz ist
Am 24. Juni feiert die Kirche alljährlich das Geburtsfest eines Menschen, der Zeit seines Lebens die zweite Geige gespielt hat: Johannes der Täufer. Viel berichtet uns das Neue Testament nicht über ihn, aber sehr zentral kommt seine Lebenseinstellung zum Ausdruck.
Denn Johannes wird nicht müde, seine eigene Position zu betonen: Die Welt dreht sich nicht um ihn, er ist nur der Herold eines anderen, der nach ihm kommt. "Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt; ich bin nicht würdig, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen", so sagt Johannes (Joh 1,26f). Obwohl er mit seiner Person selbst genug Aufsehen erregt, obwohl er selbst immer wieder im Mittelpunkt steht - Johannes weiß, wo sein Platz ist.
Sicher: Es wäre ein Leichtes gewesen, sich nach vorne zu drängen, sich selbst zu präsentieren. Aber Johannes tut das nicht. Er bleibt, wo er ist - und er ist zufrieden mit seiner Zweitklassigkeit. Sie genügt ihm, denn um einen anderen anzukündigen, ist er in der Welt. Das ist seine Aufgabe, die er voll und ganz ausfüllt.
Zufrieden sein
Wenn wir Menschen heute etwas von Johannes dem Täufer lernen können, dann ist es wohl dies: zufrieden zu sein mit dem, was man hat und mit dem, wer man ist. Mag sein, dass wir uns selbst etwas herabgesetzt vorkommen, weil wir immer nur die Tickets für die zweite Klasse lösen können.
Ja, es gibt Zeitgenossen, die überall vorne mit dabei zu sein scheinen, die in der "Königsklasse" spielen. Und häufig setzen wir uns zu ihnen in Beziehung. Das aber macht nicht zufrieden, weil wir uns dann selbst einen niederen Rang zuweisen. Weil wir uns kleiner machen, als wir eigentlich sind und dabei übersehen, welche Größe wir wirklich besitzen.
Eigene Umgebung würdigen
Man kann auch in der zweiten Reihe gut und glücklich leben. Vom Täufer Johannes dürfen wir lernen, wie das geht. Er lädt uns ein, etwas mehr Zufriedenheit einzuüben. Wer nur auf das schielt, was er nicht hat und noch haben könnte, der vergisst schnell zu schätzen, was er schon besitzt.
Wer im ständigen Aufstiegskampf lebt, der kann nicht mehr richtig das wahrnehmen, was heute schon um ihn herum geschieht. Dabei zeigt uns Johannes doch, dass wir ein bisschen gelassener sein sollen. Dass wir nicht nur auf morgen schauen, sondern hier und heute leben, mit dem, was wir eben zur Verfügung haben.
Nehmen wir uns Zeit, das zu würdigen, was wir erreicht haben - und nicht das zu betrauern, was wir noch nicht geschafft haben, wo es noch Luft nach oben gibt. Von Johannes dürfen wir lernen, ganz heute zu leben und aus dem, was wir sind und was wir haben, das Bestmögliche zu machen. Und wenn das Leben erfüllt und zufrieden ist, dann ist letztlich egal, ob das in der ersten oder in der zweiten Klasse geschieht.