Er heiratete nie, reiste viel, feierte erst große Erfolge mit seinen Opern, dann musste er sich nach Misserfolgen auf die Gattung der Oratorien verlegen – und feierte erneut wahre Triumpfe: Georg Friedrich Händel führte ein so ganz anderes Leben als sein Landsmann und Zeitgenosse Johann Sebastian Bach, der ebenfalls 1685 geboren wurde.
Bach und Händel sehr unterschiedliche Typen
Während der Leipziger Thomaskantor kaum über Sachsen und das heutige Thüringen hinauskam, reiste Georg Friedrich schon als junger Mann nach Italien. In London wurde er später so heimisch, dass er heute gar als deutsch-britischer Komponist bezeichnet wird; in England geriet er im Gegensatz zu Bach in Deutschland nie in Vergessenheit, seine Oratorien wurden durchgehend aufgeführt, eine Renaissance wie bei Bach war bei ihm kaum nötig. Doch warum schrieb er als evangelischer Christ im Vergleich zu Bach oder Georg Philipp Telemann so wenig für den Gottesdienst?
Die Antwort erscheint so einleuchtend wie simpel: ihm fehlte überwiegend die Gelegenheit dazu. Schon als junger Mann hatte Händel großen Erfolg als Opernkomponist. Eine feste Stelle als Organist oder Kantor brauchte er nicht anzutreten, um finanziell über die Runden zu kommen. Pro forma war Händel einige Jahre Kapellmeister am Hof des Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover (der später englischer König wurde).
Kirchenmusik bitte nur auf Anfrage!
Doch in dieser Zeit war Händel überwiegend auf Reisen, vor allem in London. Durch seine Opernerfolge erhielt er regelmäßig neue Aufträge für neue Werke und so war diese Gattung sein Schwerpunkt und nicht die Kirchenmusik. Johann Sebastian Bach schrieb auch erst ab dem Zeitpunkt schwerpunktmäßig Kantaten, als das von ihm als neuen Thomaskantor gefordert wurde. Während seiner Italienreise komponierte Händel mehrere lateinische Kirchenwerke, vermutlich durch Kardinäle beauftragt für die katholischen Vespergottesdienste. Händel war gerade mal 21 Jahre alt, als er die geniale Vertonung des Psalms „Dixit Dominus“ schrieb – das lateinische Werk gehört zu den frühesten Kompositionen, die sich von Händel erhalten haben.
Oratorien wurden nicht für Gottesdienste geschrieben
Auch englischsprachige Psalmenvertonungen schrieb Händel in späteren Jahren – allerdings nur bei konkreten Aufträgen und Anlässen. Als Opernunternehmer kümmerte er sich natürlich vor allem um diese Gattung. Als seine Opern weniger gefragt wurden, komponierte er Oratorien – also Vertonungen von biblischen Inhalten wie den Auszug der Israeliten aus Ägypten oder die Geschichte um den Richter Jiftach, um nur einige zu nennen.
Heute besonders berühmt ist das Werk „The Messiah“, das aber wie alle anderen Oratorien nicht für eine Aufführung im Rahmen eines Gottesdienstes geeignet ist. In der Regel wurden Händels neue Oratorien im Theater und nicht in einer Kirche uraufgeführt.
Händels persönliches Verhältnis zu Glaube und Kirche lässt sich aus der Zurückhaltung bei geistlichen Werken nicht herauslesen – seine kirchenmusikalischen Kompositionen fertigte er sowohl für die katholische wie die anglikanische Kirche an – obwohl er von Hause aus evangelisch war. Der weitgereiste Komponist, der ab 1727 auch britischer Staatsbürger wurde, scheint in konfessionellen Dingen wenig Berührungsängste gehabt zu haben.
In der Sendung Musica im Radioprogramm von DOMRADIO.DE erklingt ab 20 Uhr am Sonntagabend von Händel die Psalmenvertonung "O praise the Lord" aus dem Jahr 1717/18.