Halbzeit bei der derzeit tagenden Weltsynode: Mehr als 350 Männer und Frauen von allen Kontinenten beraten seit Anfang Oktober im Vatikan über eine zukunftsfähigere Kirche. Im Mittelpunkt steht ein anderer Umgang miteinander. Das gesamte "Volk Gottes" soll näher zusammenrücken, künftig an einem Strang ziehen.
Das scheint bei der Vatikan-Versammlung derzeit in weiten Teilen zu funktionieren. Noch. Denn mit Frauen, Klerikalismus und Hierarchien stehen Themen auf der Agenda, die das vielfach beschworene respektvolle Miteinander stören könnten; sind doch die meisten Teilnehmenden männlich und Priester, Bischöfe und Kardinäle.
Großes Stelldichein zu Anfang
Jeden Morgen trudeln die ausgewählten Frauen und Männer mit ihren bunten Ausweisen an der Aula im Vatikan ein. Fotografen hinter einem Holzzaun lichten sie ab. Journalisten versuchen, ein paar Informationshäppchen zu Atmosphäre und Inhalten der Versammlung aus ihnen herauszubekommen. Der Papst hatte die Synodalen um Verschwiegenheit gebeten. Die meisten halten sich daran; die fast täglichen Presse-Briefings des Vatikans bleiben vage.
Zunächst wirkte die Versammlung wie ein großes Stelldichein. Katholikinnen und Katholiken freuten sich über ein Kennenlernen von mehr oder minder Gleichgesinnten aus aller Welt. Zum ersten Mal dürfen einige Laien, darunter Frauen, mit Stimmrecht an einer Bischofssynode teilnehmen. Besonders sie sollen anfangs noch zurückhaltend mit Wortbeiträgen im Plenum gewesen sein, so ist zu hören.
Emotionen bei Reizthemen
Den neuen Umständen - zu denen auch ein anderes Setting mit runden Tischen statt frontaler Sitzordnung gehört - tragen die meisten katholischen Amtsträger auch äußerlich Rechnung. Statt Talar und Scheitelkappe tragen fast alle Anzüge. Auf Fotos in Sozialen Netzwerken zeigen sich konservative und liberale Teilnehmer am Rande des Treffens in harmonischem Miteinander. Der Papst hatte sich bei der Auswahl der Teilnehmenden um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Kräften bemüht. Regelmäßig wechseln die Konstellationen innerhalb der Sprachgruppen; Synodale berichten von einem respektvollen Meinungsaustausch.
Doch schon bei einem ersten Reizthema wurde die Debatte emotional, wie Teilnehmer berichten. Befürworter einer gleichberechtigten Einbeziehung von homosexuellen Gläubigen trafen auf deutlichen Widerspruch. Szenenapplaus im Plenum sollen dem Vernehmen nach Redebeiträge der liberalen Vertreter erhalten haben.
Verantaltung hochpolitisch
Welche Richtung in der von Papst Franziskus geforderten Kirche für "alle, alle, alle" eingeschlagen werden soll, wird klar in den Verlautbarungen des Synodensekretariates. Bei der Einführung in die aktuell kontroversen Themen hielt der Inhalte-Koordinator der Synode eine fast feministische Rede. Unmissverständlich machte Kardinal Jean-Claude Hollerich den überwiegend männlichen und geweihten Synodalen klar, dass Frauen als gleichberechtigte Mitglieder der Kirche behandelt werden müssten. Ähnlich klar äußerte er sich zur Mitbestimmung von Laien und den Umgang von Bischöfen mit ihrem Platz in der kirchlichen Hierarchie.
Obwohl Franziskus stets betont, die Synode sei kein Parlament, ist die Verantaltung hochpolitisch. Interessengruppen machen Lobbyarbeit in direkter Umgebung der Weltsynode. Reformorientierte Laien tagten ebenso wie Frauenverbände, die mehr Mitbestimmungsrechte in der Kirche einfordern.
Sie werde sich verändern
Konservative Kräfte verbreiten ihre Bedenken an der Synode vor allem schriftlich. Medien aus diesen Kreisen unterstellten deutschen Kirchenvertretern eine versuchte Einflussnahme auf die Synodalen. So wurde auf X verbreitet, Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, habe einen Brief mit Beschlüssen des deutschen Synodalen Wegs in verschiedenen Sprachen in Rom verteilt - obwohl die Beschlüsse schon lange in mehreren Sprachen im Netz nachzulesen sind.
Noch ist nicht klar, ob und wann die vom Papst gefürchtete Polarisierung in die von steten Gebeten und Meditationen unterbrochene Weltsynode Einzug hält. Aber auch ohne scharfe Konfrontation äußern Synodale das Gefühl, es geschehe etwas in der Kirche; sie werde sich verändern. Wie genau das geschieht, bleibt zunächst ungewiss. Die Organisatoren der Synode möchten nichts überstürzen. Mit Ruhe und ohne Druck sollen die Teilnehmenden auch die kontroversen Themen behandeln. Es sei genug Zeit, diese Themen zu vertiefen, um bei der zweiten Runde der Synode im Oktober 2024 zu Ergebnissen zu kommen.