Von der Hamburger Innenstadt erreicht man den Stadtteil Finkenwerder mit der Fähre. Die frühere Elbinsel wird auf der einen Seite von einer großen Flugzeugfabrik und auf der anderen Seite von Obstplantagen begrenzt. Mittendrin liegt das Kloster der Karmelitinnen. "Finkenwerder eignet sich gut als geistlicher Ort", sagt Schwester Miriam. "Es ist nicht weit weg von der City – und trotzdem hat man das Gefühl rauszukommen."
Letzte Bewohnerinnen des Klosters
Die 59-Jährige und ihre 55-jährige Mitschwester Maria sind die letzten beiden verbliebenen Bewohnerinnen des Klosters. Über 20 Jahre lang war es Zufluchtsort für Gäste, die Stille und Abstand vom Alltag suchten. Weil die beiden Schwestern jedoch keinen Nachwuchs finden, haben sie sich dazu entschlossen, das Haus aufzugeben. Am Samstag feiert der Hamburger Erzbischof Stefan Heße einen Abschiedsgottesdienst mit ihnen. Damit verlassen Hamburgs einzige Nonnen - also Ordensschwestern, die sich überwiegend dem Gebet widmen – die Hansestadt.
Der Ordensniederlassung in Finkenwerder wurde 1999 von einem Karmelitinnenkloster im hessischen Hainburg aus gegründet. Zeitweise lebten dort bis zu neun Schwestern. Entscheidend für die Karmelitinnen sei das "innere Gebet", bei dem jeder in der Stille in den Dialog mit Gott eintrete, erklärt Schwester Miriam in weichem schwäbischem Akzent.
Öffnung für Außenstehende
"Die Gründung in Hamburg war ein Experiment", erzählt die studierte Heilpädagogin, die von Anfang an dabei war. Während die Nonnen in anderen Klöstern sehr zurückgezogen lebten, habe man in Finkenwerder versucht, sich zu öffnen. Das Kloster war eng an die örtliche Kirchengemeinde Sankt Petrus angebunden: Die Schwestern lebten im ehemaligen Pfarrhaus, in der benachbarten Kirche – einem Betonbau aus den 50er-Jahren – gestalteten sie die Gottesdienste mit. Anders als in traditionellen Klosterkirchen gab es keinen getrennten Bereich für die Nonnen. "Wir gehen durch dieselbe Tür ein und aus wie die Gemeindemitglieder. Da kommt man natürlich ins Gespräch."
Darüber hinaus öffneten die Schwestern ihr Kloster für Außenstehende. Sie luden zu Besinnungstagen und längeren Aufenthalten ein. In das 2013 in Betrieb genommene Gästehaus kamen bis zu 150 Menschen im Monat - vom Studenten bis zum Manager. Die Nachfrage sei im Laufe der Zeit gestiegen.
"Die Menschen suchen etwas, das sie hält und dem sie vertrauen können", erklärt sich Schwester Miriam den Zulauf. "Das liegt auch an der Schnelllebigkeit unserer Zeit." Die Stille sei für manchen allerdings eine Herausforderung, erzählt Schwester Maria, ausgebildete Ärztin. "Aber viele unserer Gäste waren am Ende überrascht, wie gut ihnen das Schweigen tut."
Schwere Entscheidung
Wichtig war den Ordensfrauen auch der Kontakt in den Ort hinein, nicht zuletzt zur evangelischen Nachbargemeinde - beim Rummel "Karkmess" etwa, wo es jedes Jahr einen ökumenischen Gottesdienst gibt. "Das war natürlich für uns sehr ungewöhnlich: Karmelitinnen auf dem Auto-Scooter!", sagt Schwester Miriam und lacht. "Aber da kommen 100 Leute - und sicher auch solche, die sonst nicht so in den Gottesdienst gehen."
Die Entscheidung, das Kloster aufzugeben, haben sich die beiden Schwestern nicht leicht gemacht. Sie fiel nach einer längeren Auszeit, die sie vergangenes Jahr nahmen. "Zu zweit schafft man's einfach nicht mehr", sagt Schwester Maria. Nach ihrem Entschluss gingen bei ihnen viele Anrufe und E-Mails ein. "Die Menschen sind bestürzt, dass wir weggehen, und zugleich dankbar für unsere Arbeit."
"Dieser Ort wird uns fehlen"
Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße dankte den Ordensfrauen für ihr Gebet und ihre Begleitung von Menschen. "Wir verlieren ein wichtiges geistliches Zentrum im Erzbistum und vor allem in der Stadt Hamburg", heißt es in einer Grußbotschaft Heßes. "Dieser Ort wird uns fehlen."
Wie es für Schwester Maria weitergeht, steht noch nicht fest. Schwester Miriam will sich einem Karmelitinnenkloster bei Freiburg anschließen. Beiden stockt die Stimme, wenn sie davon erzählen: "Wir gehen in dem Bewusstsein, dass eine Lücke entsteht."