"Selbst die dunkelste Stunde hat nur 60 Minuten", verspricht Udo Lindenberg im neuen Song "Mittendrin". Die Corona-Krise kann den selbst ernannten Panikrocker und unerschütterlichen Optimisten nicht aus der Ruhe bringen. "Wir starten wieder durch, das war genug Entbehrung", kündigt er voller Tatendrang an. Auch nach 50 Jahren im Musikgeschäft ist Udo nicht zu stoppen. Am 17. Mai wird das Urgestein mit den Markenzeichen Hut und Sonnenbrille 75 Jahre alt.
Leicht fallen dürfte dem ewig Junggebliebenen das Jubiläum nicht.
Der Weg war nicht vorgezeichnet
Eigentlich strebe er Unsterblichkeit an, verriet er 2018 in einem Interview. "Ich bleibe noch mindestens 30 Jahre." Und auch dann sei hoffentlich noch nicht Schluss. "Wenn ich 100 bin, hat die Medizin schon wieder ein lebensverlängerndes Medikament erfunden, dann wird noch einmal verlängert." Eine Hoffnung, die viele seiner zahlreichen Fans teilen dürften.
Der Weg in die große weite Welt war Udo Gerhard Lindenberg, der am 17. Mai 1946 als zweites von vier Geschwistern im westfälischen Gronau in kleinen Verhältnissen geboren wurde, kaum in die Wiege gelegt. Sein englisches Debütalbum "Lindenberg" war 1971 eher ein Flopp.
Der Durchbruch gelang ihm zwei Jahre später mit den deutschen Hits "Alles klar auf der Andrea Doria" und "Cello". Heute gilt der Gründer des Panikorchesters als Pionier des deutschsprachigen Rocks; er wird gefeiert für seine schnodderige Art und sein nuanciertes Sprachgefühl. Seit den 1990er Jahren tritt der Tausendsassa zudem als Maler in Erscheinung.
Grußkarte für Unicef
Auch wenn sich Lindenberg gerne arrogant und unnahbar gibt, hat er doch eine ausgeprägte soziale Ader. Immer wieder spielt er Benefizkonzerte zugunsten von Kriegs- und Krisenregionen, etwa 2011 mit Nena und Peter Maffay für Afghanistan.
Seit zehn Jahren gestaltet er jedes Jahr eine Grußkarte, deren Erlöse in Unicef-Hilfsprogramme für Kinder in armen Ländern fließen. 2006 gründete er die Udo Lindenberg-Stiftung, die soziale Projekte in Afrika und Deutschland unterstützt. "Für mich war schon als Kind klar, dass da was schief läuft auf unserem Planeten", begründet er sein Engagement. "Warum müssen Kinder verhungern? Das geht mir nicht in den Kopf."
Lindenbergs tiefe Abneigung gegen Krieg, Extremismus und jedwede Ungerechtigkeit prägen sein künstlerisches Schaffen. "Krieg ist unnötiger Mist", so seine Überzeugung, die er in vielen Liedern zum Ausdruck bringt.
Auf eine Konfession oder Religion lässt sich Lindenberg, der 2019 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland erhielt, nicht festlegen. Auf Initiative seines evangelischen Großvaters wurde er als Teenager getauft, trat aber mit 18 wieder aus der Kirche aus. Wie viele Jugendliche seiner Zeit entwickelte er ein Faible für Hermann Hesses philosophische Weltsicht.
Interesse an biblischen Inhalten
Sein Interesse an biblischen Inhalten zeigt sich dennoch - etwa in seinem Bilder-Zyklus "Die zehn Gebote", der die biblischen Weisungen eigenwillig und humorig interpretiert. Die Werke schuf Lindenberg vor knapp 20 Jahren in der von ihm selbst erfundenen "Likörell-Technik", bei der der Pinsel auch in Eierlikör getunkt wird. Sie wurden immer wieder zugunsten des katholischen Bonifatiuswerks ausgestellt - etwa beim Katholikentag 2018 in Münster.
"Ich interessiere mich für Religion, aber nicht, weil ich jeden Tag Halleluja singe und so." Vielmehr sieht der Künstler in den Religionen eine Chance, einen Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben zu leisten.
Seine kreativsten Phasen hat das Geburtstagskind, das in einer Suite im Hamburger Hotel Atlantic haust, in der Nacht. Das habe mit seinem Bedürfnis zu tun, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, erklärte Lindenberg einmal und verwies auf Johann Sebastian Bach. "Hätte Bach seinen Müll selbst runtertragen müssen, hätte er so manche Kantate nicht geschrieben."
Wegen Corona musste der Panikrocker das Hotel vorübergehend verlassen und sich eine andere (geheime) Bleibe suchen. Seiner Schaffenskraft hat das jedoch keinen Abbruch getan - wie sein neuer Song und das für Mai angekündigte Rückblick-Album "Udopium" zeigen.