Ein Flugticket von Erbil nach Düsseldorf, eine Jacke, ein Rucksack, ein Zeugnis des Kindes, Spielzeug: Dinge, die Menschen auf ihrer Flucht in Richtung Europa im Gepäck hatten. Einige von ihnen sind mittlerweile museumsreif - als Dokumente der Zeitgeschichte.
Hunderte Objekte zum Thema Flucht gehören mittlerweile zur Sammlung des Hauses der Geschichte in Bonn, wie Sammlungsdirektor Dietmar Preißler sagt. "Wir müssen jetzt aktiv werden."
Schmerz über ertrunkenes Flüchtlingskind
Das haben seine Mitarbeiter auch in einer Flüchtlingsunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes bei Dresden getan. Rückblick: Im Herbst 2015 geht das Foto des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan an einem Strand im türkischen Bodrum um die Welt. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Niederau nordwestlich von Dresden malt daraufhin ein geflüchteter Künstler seinen Schmerz angesichts dieser Tragödie auf eine Wand.
Drei mal zwei Meter groß ist dieses Gemälde, auf dem der Junge am Strand liegt und daneben Meerestiere in Zeichentrickoptik um den Kleinen weinen. Nun steht das mit "W. Bordany" signierte Kunstwerk im Depot des Hauses der Geschichte. Mitarbeiter hatten das Bild gesichert, nachdem die Unterkunft geschlossen worden war.
"Wir überlegen immer, welche Objekte wir zum Thema Zeitgeschichte sammeln wollen", erklärt Preißler. Gegenstände müssten generell eine hohe Aussagekraft haben. Beim Thema Flucht seien Objekte interessant, die Auskunft über Fluchtrouten, persönliche Schicksale oder das Ankommen in Deutschland gäben. Das Haus der Geschichte verfüge auch schon über einige Zeitzeugen-Interviews mit Flüchtlingen.
"Flucht ist ein schwieriges, ernsthaftes Thema", betont Preißler. Er freue sich, wenn Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland bereit seien, Objekte für die Sammlung beizusteuern. Eigentlich erstaunlich, denn oft sind dies die wenigen Dinge, die Menschen aus ihrer Heimat mit in die Fremde genommen haben.
Flugticket aus Erbil
"Sie sind dankbar, dass man ihre Geschichte in Deutschland ernst nimmt", erklärt Preißler. Viele Flüchtlinge wollten seiner Erfahrung nach etwas beisteuern. So sei beispielsweise das Ticket für den Flug vom irakischen Erbil nach Düsseldorf "ein einfaches Objekt, das viele Geschichten in sich trägt".
Im Depot bewahrt das Haus der Geschichte auch Kinderzeichnungen auf. Darauf sind in ergreifender Einfachheit Szenen von Tod und Gewalt in Syrien, ein einsames Boot auf dem Meer oder Betten in einer Massenunterkunft in Deutschland gemalt. Und immer wieder Schwarz-Rot-Gold.
Diese Flaggenfarben sind auch auf vielen Skizzen des Karikaturisten Ali Abdo aus Syrien zu sehen, der nach Deutschland geflohen ist. Und das christliche Kreuz: Beides scheint bei ihm Hoffnung zu geben. Auch Abdos Skizzenmappe ist nun im Haus der Geschichte. Auf einem Blatt blickt eine muslimische Familie auf Jesus, der sie willkommen heißt und einen Heiligenschein aus EU-Sternen hat. Hinter der Familie steht ein finsterer, als Teufel dargestellter islamistischer Kämpfer.
Neben Objekten zur Willkommenskultur sind auch Transparente - zum Beispiel von Pegida - und Hassmails in den Sammlungen, die sich gegen Flüchtlinge und ihre Aufnahme in Deutschland richten. Geplant sei darüber hinaus, Verwaltungsvorgänge in Behörden, mit denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft zu tun haben, zu dokumentieren, kündigt Preißler an.
"In 50 Jahren kommt die Generation der Kinder von Menschen, die Flucht erlebt haben, zu uns ins Museum", so Preißler. Sie wollten auch ihre Geschichte dort sehen. Öffentlich zu sehen sind die meisten der gesammelten Stücke zum Thema Flucht bisher aber noch nicht.
Flüchtlingsboot aus dem Erzbistum Köln im Haus der Geschichte?
Das Museum plant für Ende 2017 eine Überarbeitung der vergangenen vier Jahrzehnte in der Dauerausstellung. "Das Thema Flüchtlinge, Migration wird in dieser überarbeiteten Form eine noch größere Rolle spielen als zurzeit", sagt Pressesprecher Peter Hoffmann. Dafür hat das Erzbistum Köln das Flüchtlingsboot in Aussicht gestellt, das derzeit in unterschiedlichen Kirchen des Erzbistums Station macht.
Bistumssprecher Christoph Heckeley bestätigt: "Endstation des Bootes soll das Haus der Geschichte werden."