domradio.de: Richtig los geht es erst morgen (Donnerstag), aber die Besucher sind schon da. Läuft alles so, wie Sie es aus den Vorjahren gewohnt sind, oder gibt es Besonderheiten?
Pastor Tilman Lautzas (Evangelischer Leiter des Seelsorgeteams): Es läuft vieles wie gewohnt. Es sind, glaube ich, die allermeisten schon da oder checken gerade ein. Aber eine Besonderheit gegenüber der Vorjahre ist vielleicht, dass es deutlich längere Schlangen gibt. Wir haben eben, glaube ich, zwei Stunden gebraucht, um einzuchecken und die Zulassung für die Fahrzeuge zu bekommen. Die Sicherheitsüberprüfungen sind dieses Mal offenbar strenger als in den Vorjahren.
domradio.de: Worauf stellen Sie sich ein, mit was für Themen werden die Besucher voraussichtlich zu Ihnen kommen? Wird Terrorangst ein Thema sein?
Lautzas: Das könnte ich mir vorstellen. Wir haben schon im letzten Jahr damit gerechnet. Jetzt gab es aber beim Festival "Rock am Ring" eine Unterbrechung, das haben viele mitbekommen. Alle müssen daher nun einen Bogen unterschreiben, dass sie auch polizeilich überprüfbar sind und beim Einchecken einen Personalausweis bereithalten. Es ist doch präsenter als in den letzten Jahren. Von daher rechnen wir schon damit, dass das den ein oder anderen beschäftigen wird.
domradio.de: Viele der Festivalbesucher campen und lassen ihre Sachen im Zelt. Wie sieht das dort in Sachen Diebstahl aus? Ist das auch ein Thema?
Lautzas: Das war ein Thema. Wir sind seit 2010 hier auf dem Platz. In den ersten Jahren gab es richtig organisierte Gangs. Die waren praktisch schon über den Zaun gestiegen, als der erste Aufbau begann. Wir hatten wirklich schon Leute gehabt am Zelt, die nichts mehr anderes hatten, als völlig durchnässte Kleider am Leib. Alles andere war weg, einschließlich des Zelts. Das ist aber von Seiten des Festivals sehr offensiv angegangen worden, mit Security. Ich glaube das Problem ist weitgehend erledigt.
domradio.de: Was sind das sonst für Themen, die den Wacken-Besucher auf dem Herzen brennen? Liebeskummer?
Lautzas: Liebeskummer ist ganz bestimmt dabei, weil Liebeskummer immer dabei ist, wenn es um Seelsorge geht. So ist es eigentlich mit allen anderen Themen auch. Die Leute kommen ja aus ihrem Alltag, werden ihre Wacken-Klamotten anziehen und wollen richtig feiern. Aber es sind eben besondere Bedingung hier, mit Lärm, Matsch und Alkohol. Da lassen sich manchmal die Probleme, die man von zuhause mitbringt, nicht verdrängen und die kommen dann wieder hervor.
domradio.de: Manch ein Heavy Metal-Liebhaber sieht ein bisschen finster, fast böse aus. Kann man da vom Äußeren auf das Innere schließen?
Lautzas: Gewisserweise ja, es ist insgesamt ein eher schwarzes Outfit, insgesamt eher düster, oft stehen auch gemeine Sprüche auf den T-Shirts. Aber das heißt nicht, dass die Leute nicht nett sind, im Gegenteil. Ich habe mich gerade letztes Mal gewundert, dass sie selbst im richtigen Alkoholrausch so umsichtig sind, freundlich, hilfsbereit, dass sehr wenig passiert. Die Leute nehmen sich gegenseitig in Schutz und passen auf, wenn es Gedränge gibt. Eigentlich ist es eine Gemeinschaft von Leuten, die im besten Sinne christliche Nächstenliebe üben, aber eben im schwarzen Outfit.
domradio.de: Sind Sie und Ihre Kollegen selbst auch Metal-Fans?
Lautzas: Da muss man genau differenzieren. Ich selber habe über die Jahre gemerkt, dass es eine sehr breite Szene gibt. Die Musikstile werden immer breiter gemischt, immer bunter, da gibt es Sachen, die Richtung Folk und Psychedelic gehen, da gibt es A-capella-Musik. Das ist eine breite Mischung und daher finden sich da auch immer wieder Dinge, die ich gut finde. Aber wir haben auch einige im Team, die schon vor der Seelsorgezeit regelmäßig in Wacken als Besucher waren, die auch alle Bands kennen. Wir haben uns dieses Mal auch vorher richtig gecoacht. Wir haben geguckt, welche Bands kommen, welche Gruppen hören welche Musikrichtung, was verbinden sie damit, was sind das für Texte?
domradio.de: Sie vertreten die Kirche auf dem Festgelände, sind leicht zu erkennen an Ihren Westen. Gibt es noch andere kirchliche Angebote?
Lautzas: Ja, die Pastorin Petra Judith Schneider macht seit Jahren in Zusammenarbeit mit anderen einen Metal-Gottesdienst, "Metal-Church", zur Eröffnung des Festivals. Auch heute (Mittwoch) wird wieder um 18.30Uhr ein Gottesdienst stattfinden. Die Besonderheit ist, dass dieses Jahr ein Gospelchor aus dem Badischen singen wird, der auch Metal-Titel im Repertoir hat.
domradio.de: Gibt's auch noch andere religiöse Institutionen, oder pseudo-religiöse, die versuchen auf dem Festival auf Mission zu gehen?
Lautzas: Ja, das hat es immer wieder gegeben. In den ersten Jahren hatten wir gerade zu eine Schwämme von Metal-Bibeln auf dem Gelände. Sie nennt sich auch Volksbibel, eine missionarische Bibelübersetzung, die mit Bildern und Geschichten vom Metal-Herz garniert ist. Sie geben darin ihre Bekehrungserlebnisse preis. Klar missionarisch und auch nicht immer freundlich in ihrem Urteil über unsere Volkskirchen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.