Neue Leitlinien zur kirchlichen Finanzwirtschaft

Hehre Ziele

Eine neue Broschüre des Verbands der Diözesen Deutschlands hat es in sich: Sie enthält Empfehlungen, wie in den Bistümern mit Vermögen umgegangen werden soll. Doch das Kirchenrecht setzt dem Wunsch nach "Good Governance" Grenzen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Symbolbild Finanzgeschäfte / © Freedomz (shutterstock)
Symbolbild Finanzgeschäfte / © Freedomz ( shutterstock )

Die Finanzverfassung der meisten Bistümer in der katholischen Kirche ist ebenso einfach wie gefährlich: Da der Diözesanbischof nach Canon 381.1 des kirchlichen Gesetzbuchs in der ihm anvertrauten Diözese alle legislative, exekutive und judikative Gewalt innehat, kann er auch über die Finanzen fast wie ein Monarch verfügen.

Zwar verpflichtet ihn Canon 392.2 dazu, "darauf zu achten, dass sich kein Missbrauch in die kirchliche Ordnung einschleicht, vor allem in Bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente (...) sowie in Bezug auf die Vermögensverwaltung."

Als aufgeklärte Monarchen können sich die Bischöfe bei der Erfüllung dieser Aufgabe natürlich den Rat von Konsultationsorganen einholen, aber nur in wenigen Bistümern, vor allem im Südwesten Deutschlands, haben die Vermögensverwaltungs- oder Kirchensteuerräte ein robustes Mitsprache- oder gar ein Vetorecht.

Unterschiede in den Bistümern

Auch in anderen Bereichen sind die finanziellen Dinge von Bistum zu Bistum unterschiedlich geregelt. Da gibt es in einigen reichen Diözesen des Westens und Südens zusätzliche Körperschaften wie den Bischöflichen Stuhl, das Domkapitel, die Emeritenanstalt und allerlei Stiftungen etc. etc.

Wie schwer die Institutionen, Kontrollgremien und Abhängigkeiten zu durchschauen sind, wurde der breiten Öffentlichkeit erst bewusst, als 2014 Journalisten nachfragten, wie es zu den diversen Bewilligungen für den 30 Millionen Euro teuren Neubau der Limburger Bischofsresidenz kam. Seither gelobten immer mehr Bischöfe Transparenz in der Darstellung diverser kirchlicher Vermögen und Etats, und die meisten lieferten das auch.

Einen weiteren Schub bekam die Debatte um das innerkirchliche Finanzgebaren durch den Investmentskandal des Bistums Eichstätt, der 2018 publik wurde. Die Bischöfliche Finanzkammer hatte sich auf riskante Darlehen in Höhe von insgesamt 60 Millionen Dollar für Immobiliengeschäfte in den USA eingelassen. Die Affäre ist noch nicht ausgestanden. Rückzahlungen stehen weiter aus, staatsanwaltliche Ermittlungen laufen.

Seither reißen die Rufe nach einheitlichen Standards für die Vermögensverwaltung (und für die Information der Öffentlichkeit darüber) nicht mehr ab. Doch wegen der Besonderheiten in einzelnen Bistümern erwies es sich als unmöglich, innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz einheitliche Regeln für alle festzulegen. Und selbst wenn es solche gegeben hätte, wäre es immer noch Sache jedes einzelnen Bischofs gewesen, diesen Regeln in seinem Sprengel Gesetzeskraft zu verleihen - oder eben nicht.

Erstmals Leitlinien vorgelegt

Vor diesem Hintergrund hat der VDD als Dachorganisation der deutschen Bistümer nun erstmals Leitlinien für den Umgang mit dem Geldvermögen der Kirche vorgelegt. Die in der Broschüre "Kirchliche Corporate Governance" zusammengefassten Leitlinien haben zwar, wie der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing betonte, nur Empfehlungscharakter. Dennoch sollen sie zur Bildung neuer Standards im Umgang mit kirchlichen Finanzen beitragen.

Bätzing appelliert in seinem Geleitwort an die Bistümer, "einen Selbstanspruch zu realisieren, der auch hohen Standards an Organisationsführung, Aufsicht und Kontrolle genügen muss und der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig ist". Mit Blick auf kirchliche Finanzskandale betont er: "Die Glaubwürdigkeit der Kirche ist immer wieder Erschütterungen ausgesetzt, die nicht selten auf selbstverschuldetes Handeln von Amtsträgern oder auch systemisch organisatorische Defizite zurückzuführen sind."

Um mehr Vertrauen und Transparenz zu schaffen, legten in den vergangenen fünf Jahren die meisten deutschen Bistümer Jahresabschlüsse nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches  (HGB) für große Kapitalgesellschaften vor und machten sie im Internet zugänglich.

Darüber hinaus empfehlen die neuen Leitlinien eine konsequente Umsetzung von Compliance-Richtlinien sowie eine saubere Trennung von Kontrollorganen und Geschäftsführungen in kirchlichen Unternehmen.

Dabei soll die Rolle der Aufsichtsorgane gestärkt und ihre Unabhängigkeit abgesichert werden. Zwischen den Zeilen steckt in diesem Appell das Eingeständnis, dass dies bislang in manchen kirchlichen Unternehmungen nicht hinreichend realisiert ist.

Interne Risiko-Früherkennungs-Systeme

Zudem sollen interne Risiko-Früherkennungs-Systeme eingerichtet werden, damit Fehlinvestitionen oder ruinöse Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden können. Mit diesen Mechanismen will man offenbar Skandale a la Limburg und Eichstätt künftig vermeiden.

Auch allgemeine Empfehlungen für Geldanlagen gemäß ethischen Standards, die derzeit auch außerhalb der Kirchen bei Anlegern in Mode sind, enthält die Broschüre. Und ein Praxisbeispiel zum "Tax Compliance Management". Darin werden die Bistümer aufgefordert, "Vorkehrungen für ein ordnungsgemäßes, die Regeln beachtendes Arbeiten in allen Bereichen zu treffen" und ein System aufzubauen, das die Einhaltung aller steuerlichen Vorschriften sichert.

Auch hier - sowie bei Sozial-Abgaben - war es in der Vergangenheit (offenbar aus Unwissenheit oder Schludrigkeit) in einigen Bistümern zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die jedoch in der Regel durch Selbstanzeigen rasch "geheilt" werden konnten. Wie solche Fehler durch die Einrichtung von Kontrollorganen von vornherein vermieden werden können, ist ebenfalls der Broschüre zu entnehmen.

Die Leitlinien weisen aber auch auf ein grundsätzliches Problem der kirchlichen Finanzwirtschaft hin: Es besteht darin, dass die Vorgaben des weltweiten Kirchenrechts mit den heute in vielen Unternehmen und Staaten geltenden Regeln einer "Good Governance" in Einklang gebracht werden sollen. Allerdings könnten die in Unternehmen und in öffentlichen Körperschaften geltenden Regeln "nicht 1:1 auf die Kirche und ihr Handeln übertragen werden", wie es in der Broschüre heißt. Unter anderem deshalb, weil letztlich alles Vermögen der Kirche dem Sendungsauftrag diene und daher die Vermehrung und Sicherung kirchlichen Vermögens kein Selbstzweck sei.

Der Allmacht des Controllings und der Effizienzbewertung bei der Mittelverwendung sind daher im kirchlichen Kontext immer wieder Grenzen gesetzt.


Quelle:
KNA