Heike Goebel wäscht Obdachlosen die Füße und denkt an Jesus

"Ein Stück Würde wiedergeben"

Wenn das "NaturheilMobil" in Essen vorfährt und Wohnungslose mit naturheilkundlichen Methoden behandelt, gehört auch Fußpflege dazu, Fußwaschung inklusive. Leiterin Heike Goebel erklärt, was das mit ihrem Glauben zu tun hat.  

Autor/in:
Hilde Regeniter
Heike Goebel bei der Fußpflege / © Foto: Corrina Mertens
Heike Goebel bei der Fußpflege / © Foto: Corrina Mertens

Jemandem die Füße waschen – für Heike Goebel eine große Geste des Dienstes am Menschen. "Wir knien uns dazu vor die betreffende Person", erzählt die Gründerin des Vereins Naturheilpraxis ohne Grenzen, "allein schon aus Platzgründen." Denn wenn sie und ihre Kolleginnen im NaturheilMobil NaMo Menschen ohne festen Wohnsitz behandeln, wird es schnell eng in dem umgebauten Rettungswagen. Zwei bis drei Mal im Monat stehen sie darin für Wohnungs- und Obdachlose in Essen bereit, erst hinterm Hauptbahnhof, später vor der Kirche Sankt Gertrudis. Sie bieten kostenlose Schmerz- und Wundbehandlungen auf Naturheilbasis und ergänzen so das Angebot schulmedizinischer Ärzte.   

Heike Goebel / © Foto: Manuela Vogel
Heike Goebel / © Foto: Manuela Vogel

Fußpflege gehört auch dazu und ist gerade für Leute auf der Straße wichtig, erzählt Goebel weiter. Schließlich sind die meisten Wohnungslosen den ganzen Tag zu Fuß unterwegs, legen weite Strecken in nicht optimalem Schuhwerk zurück und haben kaum Möglichkeiten zu duschen. Wenn sie sich aber Blasen laufen oder wunde Stellen, bremst sie das empfindlich aus im alltäglichen Kampf ums nackte Überleben. Trotzdem hat, wer sich jeden Tag aufs Neue ein Lager für die Nacht und das Nötigste zum Essen und Trinken organisieren muss, natürlich erst einmal andere Dinge im Kopf als Pediküre. "Sie haben keinen Blick für ihre Füße", so die Erfahrung der hauptberuflichen Ingenieurin und Heilpraktikerin Goebel, die sich für ihr Ehrenamt auf dem NaMo immer auch eine ausgebildete Krankenschwester an Bord holt.  

Verwunderte Blicke

Wenn sie und ihre Kolleginnen jemanden einladen, die Schuhe und Strümpfe auszuziehen, ernten sie oft verwunderte Blicke. "Viele sind dann ganz erstaunt, wie lang ihre Nägel sind. Und sehr beschämt darüber, wie schmutzig die Füße aussehen". Kein Wunder - wer sich wochenlang nicht waschen kann, bekommt automatisch schwarze Fußsohlen und Flusen zwischen den Zehen, Hornhaut und eingewachsene Nägel. Und natürlich riecht es bei einer Fußpflegebehandlung im NaMo schon mal etwas strenger. "Wir sind manchmal ganz froh, dass wir weiter unsere Gesichtsmasken tragen", sagt Heike Goebel und lacht. Aber wenn die Leute, im Essener NaMo übrigens meist Männer, sie fragen: "Heike, wie kannst du das bloß machen, du ekelst dich doch bestimmt vor uns!", schüttelt sie immer energisch den Kopf. "Ich sehe den Menschen! Und die Füße erzählen so viel davon, wie er lebt."

Heike Goebel und Corinna Mertens / © Foto: Abid
Heike Goebel und Corinna Mertens / © Foto: Abid

Einmal, erinnert sich die engagierte Helferin, hatten sie im NaMo sogar einen Mann, dessen einer Fuß bereits von Maden befallen war; als sich das herausstellte erschrak er furchtbar und sie selbst auch. Aber die Krankenschwester, die zum Glück auch dabei war, zog die Larven kurzerhand mit der Pinzette heraus, desinfizierte und verband den Fuß und nahm der Situation mit einem Witz die Schwere. Das ist dem NaMo-Team überhaupt ganz wichtig: für Leichtigkeit zu sorgen, ihren Patienten ein paar gute und entspannte Momente zu schenken, sie ganz buchstäblich zu berühren. Sie selbst berühren diese Begegnungen auch, versichert Heike Goebel. Gerade bei der Fußpflege macht sie aus der Behandlung zudem gerne eine Art Teamwork. "Dann gebe ich dem Patienten ein Feuchttuch, er reinigt den einen und ich den anderen Fuß." Auch das schafft Vertrauen und oft ergeben sich während der Pflege gute Gespräche über Gott und die Welt. Später geben sie frische Socken und Schuhe aus und den Menschen damit auch ein Stück Würde zurück.

Franziskus als Vorbild

Obwohl der Verein Naturheilpraxis ohne Grenzen nicht dezidiert christlich ist, steht auf seiner Website ein Zitat des Heiligen Franz von Assisi: "Glücklich der Mensch, der seinen nächsten trägt in seiner ganzen Gebrechlichkeit, wie er sich wünscht von jenem getragen zu werden in seiner eigenen Schwäche." Die überzeugte Christin Heike Goebel kann sich voll damit identifizieren. Gerade auch, wenn sie Obdachlosen die Füße säubert und massiert, sagt sie, kommt ihr Jesus in den Sinn: "Er ist einfach ein Riesenvorbild für mich. Wie er für die Ärmsten da ist, wie er heilt, wie er Hoffnung bringt!" Und so kann sie persönlich viel anfangen mit der Szene, an die wir am Gründonnerstag gedenken: Jesus streift sich eine Schürze über, geht vor den Jüngern auf die Knie geht und wäscht ihnen die Füße. Einem nach dem anderen.

Weitere Infos unter: https://naturheilpraxis-ohne-grenzen.de/naturheilmobil-essen/

Fußwaschung

Zu vielen Abendmahlsgottesdiensten am Gründonnerstag gehört auch die Fußwaschung durch den Priester. Die symbolträchtige Handlung erinnert an die Demutsgeste Jesu, der seinen Jüngern vor dem letzten Abendmahl die Füße wusch. Papst Pius XII. hatte 1955 das jahrhundertealte Ritual als möglichen Bestandteil der Abendmahlsmesse festgeschriebe

Fußwaschung an Gründonnerstag / © Adelaide Di Nunzio (KNA)
Fußwaschung an Gründonnerstag / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )
Quelle:
DR