Heiliger Sebastian ist außerhalb der Kirche sehr beliebt

Queere Ikone

Der heilige Sebastian ist heute nach Einschätzung zweier Buchautoren vor allem außerhalb der Kirche populär. Die Kirche ignoriere die Rezeption dieses Heiligen als queere Ikone alleridngs weitgehend.

Heiliger Sebastian: Detail eines Altarbildes des Isenheimer Altars am 16. Oktober 2022 im Museum Unterlinden in Colmar (Frankreich). / © Harald Oppitz (KNA)
Heiliger Sebastian: Detail eines Altarbildes des Isenheimer Altars am 16. Oktober 2022 im Museum Unterlinden in Colmar (Frankreich). / © Harald Oppitz ( KNA )

Das sagte Stephanie Höllinger im Interview des Portals katholisch.de am Montag. Seit dem 19. Jahrhundert biete Sebastian ein hohes Identifikationspotenzial "für jene, die an der Missachtung ihrer Sexualität leiden", erklärte Stephan Goertz.

Von beiden Theologen stammt das soeben veröffentlichte Buch "Sebastian: Märtyrer - Pestheiliger - queere Ikone" (Herder-Verlag). Es solle Erkenntnisse aus Kunst- und Kulturwissenschaften "in ein theologisches Gespräch bringen", sagte Höllinger. Sebastian erwache gerade dann zum Leben, "wenn Menschen ihre schmerzvollen Erfahrungen angesichts von Benachteiligung und Ungerechtigkeit zum Ausdruck bringen wollen".

Aids-Protestfigur

In den 1980er Jahren sei der Heilige auch eine prominente Protestfigur im Zusammenhang mit Aids geworden. Höllinger verwies aus den amerikanischen Künstler David Wojnarowicz (1954-1992), der die Figur in seinen Arbeiten mehrfach aufgegriffen habe. Queere Menschen hätten in den ersten Jahren nach dem Aufkommen von Aids starke Diskriminierung erlitten, "auch aus dem Raum der katholischen Kirche. Ihre Krankheit wird lange – wie früher die Pest – als Strafe Gottes gedeutet". Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt.

Auf der Seite der von Unheil getroffenen Menschen

Die Verehrung Sebastians sei indes nicht willkürlich, betonte Höllinger. "Es gibt eine Idee, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte dieses Heiligen zieht: Sebastian schlägt sich immer auf die Seite derer, die von Unheil getroffen sind. Seine Bilder zeigen den Schmerz von Menschen – bis in die Gegenwart." Während der Corona-Krise habe Papst Franziskus indes eher Beistand von der Gottesmutter erbeten, fügte Goertz hinzu. "Man hat in diesem Sinne, so lässt sich vielleicht sagen, nicht nur den Kontakt zu Sebastian als queere Ikone verloren, sondern verzichtet auch auf seine Hilfe als Seuchenheiliger."

Die historische Figur Sebastian war ein römischer Soldat, der zur Zeit der Christenverfolgung als Märtyrer starb. Er wird seit dem 4.Jahrhundert verehrt; insbesondere seit dem "Schwarzen Tod" im 14. Jahrhundert als Schutzpatron gegen Seuchen.

Quelle:
KNA