Akbar Khan wurde am 21. Juli 2018 brutal ermordet. Der Muslim hatte zusammen mit seinem Kollegen Aslam Khan auf einem Markt in Haryana zwei Kühe gekauft. Die beiden Bauern waren auf dem Rückweg in ihr Dorf Nuh, als sie von einem hinduistischen Lynchmob angegriffen wurden. Akbar wurde schwer verletzt; Aslam Khan konnte fliehen. Drei der Angreifer wurden zunächst festgenommen. Gyan Dev Ahuja, Parlamentsabgeordneter der hindunationalistischen Regierungspartei BJP, verlangte jedoch die umgehende Freilassung der Mörder - und stattdessen die Festnahme des Zeugen Aslam Khan.
Verkörperung von Mutter Erde
Kühe sind für Hindus als Verkörperung von Mutter Erde heilige Tiere, deren Schlachtung in den meisten indischen Bundesstaaten verboten ist. In den vergangenen Jahren haben jedoch mehrere von der Indischen Volkspartei BJP regierte Staaten schärfere Gesetze und Richtlinien verabschiedet, die den nicht-hinduistischen Minderheiten der Muslime, der Dalit und der Ureinwohner Adivasi schaden. "Rufe nach Schutz für Kühe waren anfangs vielleicht ein Weg, um Hindu-Stimmen zu gewinnen.
Inzwischen haben sie sich zu einem Freibrief für Gewalt gegen Minderheiten gewandelt", klagt Meenakshi Ganguly, Südasien-Direktorin von Human Rights Watch (HRW).
Kritik von Menschenrechtlern
Auf 104 Seiten dokumentiert die Menschenrechtsorganisation in dem Report "Gewaltsamer Schutz von Kühen in Indien: Bürgerwehren attackieren Minderheiten" Gewalt von Kuhrächern und den Schutz, den sie durch die BJP und die Polizei genießen. Zwischen Mai 2015 und Dezember 2018 wurden laut HRW mindestens 44 Menschen durch Kuhrächer ermordet. In fast allen dokumentierten Fällen stellte die Polizei Ermittlungen ein, ignorierte Verfahren oder war sogar an Morden oder deren Vertuschung beteiligt. "Die Polizei steht unter politischem Druck, mit Kuhschützern zu sympathisieren, lasch zu ermitteln und sie laufen zu lassen", wird ein pensionierter Polizeibeamter aus Rajasthan zitiert.
Indien ist dank des Exports von Büffelfleisch im Wert von vier Milliarden Dollar jährlich der größte Rindfleischlieferant weltweit.
Viehhandel und Schlachthäuser wurden von Muslimen mit Dalit und Adivasi als Arbeiter betrieben. Das Geschäft ist jedoch durch die Kuhrächer-Politik eingebrochen. Betroffen sind auch die vielen hinduistischen Viehbauern, die durch die Schlachtverbote ihre Tiere nicht mehr verkaufen können. "Die Führer der Hindutva-Bewegung realisieren nicht, wie sehr sie durch ihren obsessiven Kuhschutz der eigenen Hindu-Gemeinschaft wie auch dem Land schaden", so der Autor und Agrarexperte M. L. Parihar.
Kühe Wahlkampfthema?
Ihren erdrutschartigen Sieg bei der Wahl 2014 hatten die BJP und Modi den Hindu-Wählern im "Kuhgürtel" im Norden Indiens zu verdanken, in dem gut ein Drittel der indischen Bevölkerung lebt. Seit den Erfolgen der säkularen Kongress-Partei unter Führung von Rahul Gandhi (48) bei einer Reihe von Landtagswahlen in eben diesem "Cow Belt" Ende 2018 ist freilich der Nimbus der Unbesiegbarkeit des Präsidenten und seiner Partei dahin.
Die Bauern sind wütend über Modis Wirtschaftspolitik, die Bauern in den Ruin und Tausende in den Suizid treibt. Eine potentielle Wahlschlappe vor Augen, könnte Modi im Wahlkampf extremistische Hetze und Gewalt gegen religiöse Minderheiten noch weiter anheizen, um die Hindu-Wählerschaft bei der Stange zu halten, warnt der Jesuit und Menschrechtler Cedric Prakash im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Das ist eine politische Masche zur Manipulation der Wähler."
Akbar Khan könnte noch leben, hätte die Polizei nicht gemeinsame Sache mit den Kuhrächern gemacht. Die Beamten benötigten drei Stunden, um den Schwerverletzten in das nur 20 Minuten vom Tatort entfernte Krankenhaus zu bringen. Die Polizisten legten aber erst eine Teepause ein und kümmerten sich dann um den Abtransport der Kühe. Als Khan ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war er tot.