Eine Sensation, ein "historischer" Moment: Die Superlative überschlugen sich, als Papst Paul VI. zum Abschluss der zweiten Konzils-Session Ende 1963 eine Pilger- und Friedensreise ins Heilige Land ankündigte.
Knapp 2.000 Jahre nachdem der Apostel Petrus Jerusalem in Richtung Rom verlassen hatte, wolle dessen 262. Nachfolger in die Heimat des irdischen Jesus zurückkehren, gab Paul VI. in der vatikanischen Konzilsaula bekannt.
Und mit dieser Rückkehr wollte er – ganz im Geiste des Konzils – auch hinter die Spaltungen der Christenheit zurückgehen.
Premiere unter denkbar schwierigen Bedingungen
Von der Reise gingen prägende Impulse für die Ökumene aus, aber auch für den Kontakt zu Judentum und Islam.
Es war eine Premiere unter denkbar schwierigen Bedingungen – und für die Planung blieb gerade ein Monat.
Denn die Reise führte in eine der politisch heißesten Regionen der Welt: Die Besuchsländer befanden sich offiziell im Kriegszustand.
Vorbereitung der Pioniertage von 1964 war chaotisch
Jerusalem war durch eine nahezu hermetische Grenze zweigeteilt. Der Vatikan unterhielt weder zu Jordanien noch zu Israel diplomatische Beziehungen. Sein Verhältnis zum Judentum hatte sich noch nicht durch das Konzil entspannt.
Die Vorbereitung der Pioniertage von 1964 war chaotisch. Bis zuletzt wurde improvisiert. Das genaue Besuchsprogramm stand erst am Tag vor der Abreise fest.
Der Papst landete in Amman, wurde dort freundlich von König Hussein von Jordanien begrüßt, das damals die Westbank und Ost-Jerusalem annektiert hatte.
Die Medien registrierten damals jeden Schritt des Papstes
Im Auto-Konvoi ging es – mit Zwischenstopp an der Taufstelle Jesu am Jordan – nach Jerusalem. Dort durchbrach eine begeisterte Menschenmenge bei der Ankunft am Damaskus-Tor alle Absperrungen und Polizeikordons.
Nur mit Mühe konnte der Papst das Auto verlassen. Zu Fuß bahnten jordanische Sicherheitsleute ihm den Weg zur Grabeskirche, wo er einen ersten Gottesdienst feierte.
Die Medien registrierten damals jeden Schritt, jedes Wort, jede Geste des Papstes, der erst ein halbes Jahr zuvor an die Spitze der Weltkirche gewählt worden war. 1.400 Journalisten und Fotografen aus aller Welt reisten zu dem Event an.
Ökumenisches Gebet als bewegender Höhepunkt der ersten Papstreise
Die Reise war ökumenisch ein Durchbruch. Jerusalem war der einzige Ort der Welt, an dem sich die Oberhäupter der getrennten Kirchen von Ost und West auf Augenhöhe begegnen konnten – 910 Jahre nach der Kirchenspaltung von 1054.
Das Gipfeltreffen mit dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras, das ursprünglich gar nicht geplant war, der Friedensgruß, die Umarmung und das gemeinsame Vaterunser-Gebet wurden zum bewegenden Höhepunkt der ersten Papstreise.
Und sie leiteten eine Wende ein, die nicht nur die Kirchen des Ostens berührte, sondern auch die des Westens.
In der Geburtsstadt Jesu warnte der Papst vor einem neuen Weltkrieg
Den Dreikönig-Gottesdienst in Bethlehem, der Geburtsstadt des "Friedensfürsten", nutzte der Papst zu einem eindringlichen Friedensappell – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges.
Mögen die Mächtigen der Welt "den Kummer und die Schrecken eines neuen Weltkriegs ersparen", mahnte er in seiner Rede, die gleichzeitig in 200 Telegrammen an Staats- und Regierungschef verschickt wurde.
"Mögen sie noch effektiver zusammenarbeiten, um Frieden in Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und brüderlicher Liebe zu schaffen."
Der halbtätige Besuch in Israel wurde zu einem Drahtseilakt
Unterdessen setzte Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser seine Proteste gegen jede Anerkennung des verhassten Israel fort.
Auch deshalb wurde der halbtägige Besuch in Israel – Paul VI. wollte auch die Heiligen Stätten in Nazareth, auf dem Berg Tabor und am See Genezareth besuchen – zu einem diplomatischen und protokollarischen Drahtseilakt.
Israel richtete dazu eigens einen provisorischen Grenzübergang bei Meggido im Norden ein. Präsident Salman Schazar begrüßte den Staatsgast höflich.
Als erster wagte der Papst Friedensreden auf beiden Seiten
"Als Pilger des Friedens erflehen wir vor allem das Gut der Versöhnung des Menschen mit Gott und das der tiefen Eintracht der Menschen und Völker", sagte der Papst.
Als erster habe Paul VI. es gewagt, auf beiden Seiten der israelisch-arabischen Grenze vom Frieden zu sprechen, titelten anschließend die Medien.
Die Kirche hege nur "Gedanken des Wohlwollens gegenüber allen Menschen und allen Völkern", betonte er weiter. Den Namen Israel nahm er in seinen Ansprachen nicht in den Mund.
Papst Paul VI. verteidigte seinen Vorgänger Pius XII.
Für Verstimmung sorgte, dass er beim Abschied seinen Vorvorgänger Pius XII. gegen "Misstrauen und sogar Vorwürfe" verteidigte, dem nach dem Krieg viele "mit Tränen in den Augen für die Rettung ihres Lebens" gedankt hätten.
Als Friedensmission war die Papstreise indes weniger erfolgreich. Drei Jahre später schuf der Sechs-Tage-Krieg eine neue Landkarte der Region.
Und es dauerte 36 Jahre, bis mit Johannes Paul II. erneut ein Papst das Heilige Land besuchte – auf der fast gleichen Reiseroute.
Allmähliche Verstetigung der Vatikandiplomatie im Heiligen Land
Inzwischen hatte der Heilige Stuhl mit Israel wie mit Jordanien Botschafter ausgetauscht und Arbeitskontakte zu den Palästinensern aufgenommen.
Und mit dem Konzil hatte die Kirche 1965 auch ihre Beziehungen zum Judentum bereinigt und einen vielversprechenden Dialog eingeleitet.