domradio.de: Gestern Abend haben Sie hinter verschlossenen Türen mit den CSU-Abgeordneten gesprochen. Gibt's tendenziell eher Klinsch oder Friede-Freude-Eierkuchen?
Heinrich Bedford-Strohm (Bayerns Landesbischof, dem Ratsvorsitzenden der EKD): Weder noch. Friede-Freude-Eierkuchen heißt ja, dass man keine kontroversen Themen behandelt. Das war natürlich nicht der Fall. Natürlich haben wir auch über die kontroversen Themen gesprochen. Aber es war eine sehr konstruktive Atmosphäre, es war ein wechselseitiges Zuhören. Der Geist und die Atmosphäre, die ich gestern erlebt habe, war sehr konkret und sachorientiert.
domradio.de: Bleiben wir bei den kontroverse Themen - im vergangenen Jahr haben Sie immer wieder öffentlich gesagt, dass Sie einen anderen Standpunkt vertreten als die CSU. Ich habe mal ein paar Zitate von Ihnen aus dem vergangenen Jahr rausgesucht. Da sagen Sie von Seiten der CSU gibt es "immer wieder einzelne Äußerungen, über die ich mich sehr wundere", und mit einzelnen Entscheidungen würde die Partei "Futter für Rechtspopulisten" liefern. Wie bringt man solche Themen bei solch einer Klausurtagung zur Sprache?
Bedford-Strohm: Einzelne Äußerungen gibt es immer, wo man sich wundert. Das betrifft aber nicht nur eine bestimmte Partei. Das ist bei bestimmten politischen Äußerungen generell so. Deswegen ist es immer entscheidend, dass man sich an der Sache orientiert.
domradio.de: War das jetzt auch so?
Bedford-Strohm: Genau so sind wir auch an die Themen ran gegangen. Da ist grundsätzlich ein großer konstruktiver Geist spürbar gewesen.
domradio.de: Was sagen Sie denn den Politikern?
Bedford-Strohm: Ich habe zum Beispiel denen, die politische Verantwortung übernehmen und manchmal in schwierigen Dilemma-Situationen auch schwierige Entscheidungen zu treffen haben, auch ausdrücklich dafür gedankt, dass sie politische Verantwortung übernehmen. Das ist also eine ganz überparteiliche Sache.
Es gibt in allen Parteien unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen. Das halte ich auch für gut. Es geht für uns als Kirche um die Sache.
domradio.de: Welche Sache zum Beispiel?
Bedford-Strohm: Beim Thema Flüchtlinge geht es um die Frage. Wie kann man gewährleisten, dass Menschen mit Würde und mit Empathie behandelt werden? Es geht uns darum, dass man sich mitverantwortlich dafür fühlt, wo Menschen nicht nach Deutschland kommen können, dass sie dafür aber woanders sicher und würdig leben können.
domradio.de: Waren Sie sich da einig?
Bedford-Strohm: Das war ein Thema, wo sehr deutlich wurde, dass der universale Horizont auch der christlichen Nächstenliebe und Grundorientierungen, dass das eine Sache war, die wir teilen. Das war auch für die Zukunft für mich eine gute Gesprächsgrundlage.
domradio.de: Was können Sie den Entscheidern - in diesem Fall der CSU - bei so einem schwierigen Thema mit auf den Weg geben?
Bedford-Strohm: Also ich habe über das Reformationsjubiläum gesprochen - über die ökumenischen Perspektiven, die wir gegenwärtig haben. Dass Christus im Zentrum steht. Wir wollen mit unseren Aussagen nicht politisieren, sondern wir wollen damit auf die Frage aufmerksam machen: "Was heißt es, Christus heutzutage nachzufolgen, sich an ihm im persönlichen und öffentlichen Leben zu orientieren." Dass da die Flüchtlingsfrage eine wichtige Frage ist, das liegt auf der Hand.
domradio.de: Wie haben Sie das angesprochen?
Bedford-Strohm: Ich habe zum Beispiel die Abschiebungen nach Afghanistan angesprochen. Die bayrische Landessynode hat einen Beschluss gefasst auf ihrer letzten Tagung, wo sie sagt: "Die Abschiebungen nach Afghanistan sollen nicht weiter gehen, bis die Sicherheitslage wirklich so ist, dass Menschen mit gutem Gewissen dahin zurück geschickt werden können."
Mich erreichen jeden Tag Mails von Menschen, die Flüchtlinge begleitet haben, die sich hier auch integriert haben. Sie erläutern mir, dass die Menschen auch schon länger hier sind und von der Dorfgemeinschaft aufgenommen wurden - Jobs haben. Sie berichten davon, dass diese Personen über Nacht abgeschoben werden sollen. Solche Dinge habe ich natürlich auch eingebracht und darüber kommt man in das Gespräch.
domradio.de: Können Sie einen Ratschlag an die Entscheidungsträger in der Politik in einem Satz zusammenfassen?
Bedford-Strohm: Man kann über alles diskutieren. Man muss auch über alle politischen Fragen ergebnisoffen diskutieren, ohne Angst vor Kontroversen haben zu müssen. Aber das alles muss im Kontext von Empathie und Mitgefühl gegenüber jedem Menschen passieren. Jeder Mensch ist geschaffen nach dem Bilde Gottes. Jeder Mensch ist unendlich kostbar. Das muss der Grundton sein, in dem auch alle politischen Diskussionen laufen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.