Politologe mit einem Ausblick auf CSU-Klausurtagung

"Über allem schwebt die Obergrenze"

Knapp acht Monate vor der Bundestagswahl will die CSU bei der an diesem Mittwoch beginnenden Klausur ihrer Landesgruppe im Kloster Seeon ihr Profil schärfen. Der Politologe Thomas Schlemmer wagt einen Ausblick auf die Themenpalette.

Logo der CSU vor dem Kloster Seeon / © Sven Hoppe (dpa)
Logo der CSU vor dem Kloster Seeon / © Sven Hoppe ( dpa )

domradio.de: Von "A wie Altersvorsorge" bis "Z wie Zuwanderung" - so werden die Themen der Klausurtagung auf der Homepage der CSU angekündigt. Was steht denn alles auf der Agenda?

Dr. Thomas Schlemmer (Institut für Zeitgeschichte in München): Vor allem steht die Innere Sicherheit im Fokus, was wiederum sehr eng mit der Zuwanderung verknüpft ist. Das werden die beiden Achsen sein, um die die Diskussionen im Kloster Seeon kreisen.

domradio.de: Werden das auch die größten Diskussionspunkte werden?

Schlemmer: Da stellt sich die Frage, zwischen wem diskutiert werden soll. Ob die Landesgruppe untereinander diskutiert, ob es wirklich darum geht, programmatische Punkte zur Umsetzung zu entwickeln oder ob Signale nach außen gesetzt werden sollen, wird sich zeigen. Man wird sehen, ob es eine Diskussion zwischen den Parteien der Großen Koalition geben soll, ob es eine Diskussion vor allem mit der CDU geben soll oder ob es ein öffentliches Signal zum Wahlkampfauftakt wird. Ich gehe eher von letzterem aus.

domradio.de: 2017 ist ein Wahl- und Wahlkampfjahr. Haben Sie eine Vermutung, in welche Richtung sich die CSU positionieren wird?

Schlemmer: Da ist ja schon einiges durchgesickert, worum es bei einem vorzustellenden Positionspapier gehen soll. Es ist ja auch ein bisschen in Beziehung zu dem zu setzen, was Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben hat. Es wird natürlich darum gehen, Gesetze und Kontrollen zu verschärfen, die Abschiebepraxis rigider zu gestalten und Konsequenzen aus dem Anschlag in Berlin und aus den Anschlägen in Bayern zu ziehen. Alles wird letztlich darauf hinauslaufen, die Kompetenzen von Sicherheitsbehörden zu stärken und die Kontrolldichte zu erhöhen. Über allem schwebt der Begriff der Obergrenze.

domradio.de: Gerade wenn es um Abschiebungen und striktere Abschiebemaßnahmen geht, dann kommt regelmäßig Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU auf. Wird es in diesem Punkt eine Annäherung geben? Immerhin will Angela Merkel nach der Bundestagswahl weiterhin Bundeskanzlerin bleiben.

Schlemmer: Meines Erachtens ist es in den letzten Monaten weniger ein Streit um echte Inhalte als eher ein Streit um Begriffe gewesen. Wenn man noch einmal auf den Gastbeitrag von Thomas de Maizière in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zurückkommt, dann geht es dabei beispielsweise darum, dass man Abschiebezentren in Bundesverwaltung in der Nähe von großen Flughäfen entstehen lässt. Das ist sehr nah an dem, was CSU-Chef Horst Seehofer schon vor Monaten als Transitzonen gefordert hat. Vielleicht war es bei ihm ein bisschen härter in der Ausprägung. Da stellt sich eher die Frage, wer führt das durch? Machen das die Länder oder der Bund. Das macht dann eine andere Frontlinie, nämlich die föderale aus.

Der entscheidende Begriff lautet aber: Obergrenze. Also zwingt die CSU Angela Merkel zu diesem Kniefall oder ist man bereit, den Begriff fallen zu lassen und sich auf Herrn Kauders (Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Anm. d. Red.) heutige Argumentation einzulassen, was man denn mit einer Obergrenze überhaupt wolle, da ohnehin die Reduktion der Zuwanderung bereits erreicht sei.

domradio.de: Hochrangige Gäste sind auch bei der Klausurtagung in diesem Jahr dabei. Wer hat sich angekündigt?

Schlemmer: Es sind nicht zuletzt Gäste aus dem Bereich der Europäischen Union und der Europäischen Kommission angekündigt, mit denen es um Fragen der europäischen Sicherheit gehen dürfte. Unter anderem spielt da auch die Sicherheit nach außen eine Rolle. Die Diskussion um eine europäische Armee, um nach dem Brexit die EU sicherheitspolitisch auf eine neue Basis zu stellen, könnte ein Thema sein.

domradio.de: Sicherheit ist also das zentrale Thema?

Schlemmer: Richtig. Äußere und innere Sicherheit. Wobei die Idee europäischer Integration durch eine gemeinsame Verteidigungspolitik eigentlich ein altes Thema ist. Das gab es schon in den 1950er Jahren.

domradio.de: Aber es wird noch einmal aufgewärmt?

Schlemmer: Ja. Wenn man sich die Weltlage anschaut und die Frage betrachtet, wie man als Europäische Union auf Krisen, wie in Syrien, oder auch vor unserer Haustür in Nordafrika reagiert, ist das ein wichtiges Thema. Man weiß ja nicht, wie sich das mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump entwickelt. Der hat sich im Wahlkampf sehr NATO-kritisch geäußert. Die Frage ist, wie man sich auf die transatlantische Sicherheitspartnerschaft in Zukunft verlassen kann. Insofern ist das sicherlich ein großes außenpolitisches Thema, dessen sich die CSU da annimmt.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Kloster Seeon / © Sven Hoppe (dpa)
Kloster Seeon / © Sven Hoppe ( dpa )
Quelle:
DR