Brand im Flüchtlingscamp Moria unter Kontrolle

Helfer fordern die EU zum Handeln auf

Moria ist das größte Flüchtlingslager Griechenlands und Europas. In der Nacht zu Mittwoch brach an verschiedenen Stellen Feuer aus. Das Lager wurde evakuiert. Inzwischen scheint der Brand weitgehend unter Kontrolle. Aber Fragezeichen bleiben.

Brand in Flüchtlingslager Moria auf Lesbos / © Panagiotis Balaskas (dpa)
Brand in Flüchtlingslager Moria auf Lesbos / © Panagiotis Balaskas ( dpa )

Der Großbrand im Flüchtlingslager Moria ist nach Regierungsangaben seit dem frühen Mittwochmorgen weitgehend unter Kontrolle. Die Hilfsorganisation medico international tritt nun mit klaren Forderungen an die EU heran.

Schon in der Nacht begannen die Behörden laut griechischen Medienberichten mit der Evakuierung des Lagers auf der griechischen Insel Lesbos, nachdem Wohncontainer Feuer gefangen hatten. Über Verletzte oder gar Tote gab es zunächst keine Informationen.

Moria ist das größte Flüchtlingslager Griechenlands und Europas. Es ist seit Jahren heillos überfüllt, zuletzt leben dort nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums rund 12.600 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von gerade mal 2.800 Plätzen.

"Europa darf nicht die Augen verschließen"

Die Hilfsorganisation medico international sieht die EU in der Verantwortung für die Eskalation. "Die EU entzieht sich seit vielen Jahren der Verantwortung für die Menschen an ihren Außengrenzen", sagte die Referentin für Flucht und Migration bei medico international, Ramona Lenz, am Mittwoch in Frankfurt.

Jetzt müsse die EU endlich handeln und sofort eine humanitäre Lösung für die Geflüchteten schaffen. "Nach diesem verheerenden Brand darf Europa nicht länger die Augen verschließen und muss Moria und die anderen Lager auf den griechischen Inseln endlich evakuieren", sagte Lenz.

Caritas: Brand auch Folge von EU-Abschottungspolitik

Oliver Müller, Leiter der Hilfsorganisation Caritas international, warf der EU Versagen in der Flüchtlingspolitik und damit indirekt eine Mitschuld an dem Brand vor. "Der Brand ist letztendlich Ergebnis der Abschottungspolitik der Europäischen Union. Die Politik hat bis heute die Augen verschlossen. Die Menschen sind trotz aller Kritik und in Kenntnis der verheerenden Zustände in Moria ihrem Schicksal überlassen worden", sagte er. Damit sei die Situation eine "Katastrophe mit Ankündigung", so der Leiter von Caritas international.

Seit langem hätten in dem Flüchtlingscamp unzumutbare Zustände geherrscht, so die Caritas. Durch die jüngsten ersten Corona-Infektionen im Lager habe sich die Lage nochmals verschärft. Trotz stetiger Appelle von Flüchtlingsorganisationen sei nichts geschehen, kritisierte Caritas international.

Die Hilfsorganisation hat 50.000 Euro Soforthilfe für die Flüchtlinge im zerstörten Lager Moria bereitgestellt. Nach dem Brand seien schnelle materielle und psychologische Hilfen entscheidend, sagte Müller. Die griechische Caritas bereite die Aufnahme von Flüchtlingen vor.

Mittlerweile 35 Corona-Fälle im Lager

Dem Brand an verschiedenen Stellen des Lagers waren demnach Proteste von Geflüchteten gegen ihre inhumane Unterbringung und Versorgung sowie gegen unzureichende Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 vorausgegangen. Seit dem ersten offiziellen Covid-19-Fall im Flüchtlingslager in der letzten Woche sei die Zahl der bestätigten Fälle auf 35 angestiegen

"Seit Monaten warnen wir vor einem Corona-Ausbruch im Lager", sagte Raid Al Obeed aus Syrien, der das "Moria Corona Awareness"-Team mitgegründet hatte, das die Corona-Prävention im Lager selbst in die Hand genommen hat. Die EU habe die Geflüchteten allein gelassen.

Ramona Lenz betonte: "Man kann Menschen nicht jahrelang im Dreck leben lassen, ihnen Rechte vorenthalten, sie schließlich ungeschützt einer Pandemie aussetzen und dann überrascht sein, wenn sie gegen ihre Lebensbedingungen aufbegehren." Dass die Lage derart eskaliert, hätte die EU verhindern können, indem sie sämtliche Risikopatienten aus dem Lager evakuiert und für die verbleibenden Flüchtlinge bessere Bedingungen geschafft hätte.

Bedford-Strohm: "Meine Befürchtungen sind groß"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat seine Bestürzung über die Situation zum Ausdruck gebracht. "Mit Trauer und Entsetzen habe ich heute Morgen die Bilder vom brennenden Lager Moria gesehen", erklärte Bedford-Strohm am Mittwoch: "Das Ausmaß des Brandes lässt Schlimmes befürchten. Noch ist unklar, ob Menschen zu Tode gekommen sind. Meine Befürchtungen sind groß. Und meine Gebete intensiv."

"Das Leid, das Tausende Menschen dort seit Monaten ertragen, lässt sich kaum in Worte fassen", fügte Bedford-Strohm hinzu, der auch bayerischer Landesbischof ist. Seit langer Zeit sei auf die schlimmen Zustände in dem Lager hingewiesen und Abhilfe gefordert worden. "Trotzdem durften nur wenige Menschen das Lager verlassen. Die vollständige Überfüllung ist geblieben", kritisierte der EKD-Ratsvorsitzende. Jetzt müsse den Menschen sofort und dauerhaft geholfen werden.

Feuerwehrleute angegriffen

Nach Ausbruch des Feuers hätten Lagerbewohner die Feuerwehrleute mit Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern, berichtete der Einsatzleiter im Fernsehen. Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei waren im Einsatz. Videos in sozialen Netzwerken zeigten herumirrende, verängstigte Menschen und auch solche, die "Bye bye, Moria!" sangen. Viele der mehr als 12 000 Migranten und Flüchtlinge, die zuletzt im Lager lebten, flohen in die umliegenden Wälder und auf Hügel, andere machten sich auf den Weg zur Inselhauptstadt Mytilini, wie griechische Medien berichteten.

Stellenweise sollen sich ihnen Inselbewohner entgegengestellt und ihnen den Weg versperrt haben. Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert, sagte Mytilinis Bürgermeister Stratos Kytelis dem griechischen Staatssender ERT. Man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.

Krisentreffen einberufen

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis habe für den Vormittag ein Krisentreffen in Athen einberufen, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas dem staatlichen Fernsehsender ERT weiter. Neben dem Migrations- und dem Bürgerschutzminister sollen daran auch der Chef des griechischen Nachrichtendienstes (EYP) und der Generalstabschef teilnehmen. Man vermute organisierte Brandstiftung, so Petsas.


Brand im Flüchtlingscamp Moria / © Panagiotis Balaskas (dpa)
Brand im Flüchtlingscamp Moria / © Panagiotis Balaskas ( dpa )

Flüchtlinge und Migranten verlassen das Flüchtlingslager / © Panagiotis Balaskas (dpa)
Flüchtlinge und Migranten verlassen das Flüchtlingslager / © Panagiotis Balaskas ( dpa )

Das Feuer verbrennt behelfsmäßige Zelte im Flüchtlingslager / © Panagiotis Balaskas (dpa)
Das Feuer verbrennt behelfsmäßige Zelte im Flüchtlingslager / © Panagiotis Balaskas ( dpa )
Quelle:
KNA , dpa