Es war immer klar, dass die Zeit von Pfarrer Cédric Kongbo Gbassinga als Mitarbeiter im Seelsorgeteam der Bensberg-Moitzfelder Pfarreiengemeinschaft zeitlich begrenzt sein würde und zum 31. August endet. Spätestens dann soll – so ist der Plan – der 42-Jährige, gebürtig aus der Zentralafrikanischen Republik, über eine wissenschaftliche Arbeit des deutschen Fundamentaltheologen Johann Baptist Metz promoviert sein und mit einem Doktortitel in der Tasche nach Bangui, seiner Heimatdiözese im Herzen Afrikas, zurückkehren.
Doch ginge es nach dem im Bergischen überaus beliebten Seelsorger, würde er diesen Prozess gerne beschleunigen und eventuell sogar um ein paar Wochen nach vorne verschieben. Schließlich wird Pfarrer Cédric, wie ihn die Gemeinde der Einfachheit halber gerne nennt, bereits ungeduldig in der zentralafrikanischen Hauptstadt erwartet. Denn Anfang des Jahres ist er von der dortigen Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Bischof Nestor Désiré Nongo-Aziagbia zu deren Generalsekretär ernannt und bei einem dann vierwöchigen Aufenthalt in der Heimat bereits Mitte Januar in die aktuelle Vollversammlung der neun Landesbischöfe maßgeblich eingebunden worden. Zuvor hatte er auch schon die mehrtägigen Beratungen mit vorbereitet und dabei zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen, wie komplex sein Aufgabenbereich demnächst sein wird und welche Erwartungen auf ihm ruhen.
Doktorarbeit auf Deutsch geschrieben
"Das Sekretariat ist wie ein Spiegel meiner Kirche und eine enorme Herausforderung", stellt der Geistliche fest, der in Frankreich geboren wurde und dort auch die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht hat. Vergleichbar der Deutschen Bischofskonferenz verfüge auch die zentralafrikanische über einen riesigen Verwaltungsapparat mit zahlreichen Kommissionen, wie zum Beispiel zu den Themen "Gerechtigkeit und Frieden", "Caritas", "Gesundheit" oder "Bildungswesen". Sie alle müsse ein Generalsekretär im Blick haben, betont Pfarrer Cédric. "Nicht anders als in Deutschland auch laufen an dieser Stelle alle Fäden zusammen. Der Sekretär ist der Dreh- und Angelpunkt bei der Verständigung der Bischöfe untereinander, er bündelt die unterschiedlichen Meinungen und übernimmt die Rolle eines Sprachrohrs nach außen."
Dass die Berufung auf diese anspruchsvolle Position einer besonderen Auszeichnung durch seinen Bischof gleichkommt, freut Pfarrer Cédric sichtlich. "Das ist eine große Ehre und Verantwortung." Trotzdem ist dem bescheidenen Seelsorger, der seinen ganzen Ehrgeiz daran gesetzt hat, seine Doktorarbeit über einen deutschen Theologen auch auf Deutsch zu schreiben, fremd, in den eher äußerlichen Kategorien eines "Karrieresprungs" zu denken. Dazu gehört auch, dass er bisher nicht viel Wind um seine Ernennung gemacht hat. Vielmehr ist er aktuell fleißig damit beschäftigt, sich von seinem Bensberger Schreibtisch aus – neben seiner Inanspruchnahme als Subsidiar in Teilzeit – via Zoom in die neue Aufgabe einzuarbeiten und schon jetzt einen engen Kontakt zu seinen zukünftigen Mitarbeitern in Bangui zu pflegen.
Kirche will Klima des Dialogs und des Friedens fördern
Denn auch wenn er sich primär noch auf sein Rigorosum an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie in St. Augustin vorbereiten muss, wird er bereits an wesentlichen Vorgängen von kirchenpolitischer Relevanz in dem zentralafrikanischen Staat beteiligt. Immerhin hat eine konstruktive Zusammenarbeit seitens der Bischofskonferenz mit der Regierung des Landes, namentlich Präsident Faustin Archange Touadéra, nach den jüngsten Wahlen Ende Dezember absolute Priorität. Und in diesem Kontext ist Pfarrer Cédrics Diplomatiegeschick schon jetzt gefragt. Schließlich will die Kirche als anerkannte Autorität in dem zerrissenen und von großer Armut gebeutelten Land ein Klima des Dialogs, der Aussöhnung und des Friedens fördern. Sich vor allem aber auch für seine Einheit einsetzen, um in erster Linie die prekäre Situation für die Zivilbevölkerung zu verbessern.
Dabei geht es auch um eine Abrüstung der Rebellen, die weite Teile des Landes mit seinen gerade mal 5,2 Millionen Einwohnern kontrollieren. Und um eine Rehabilitierung der zentralafrikanischen Armee, zumal die Sicherheit des Landes momentan in der Verantwortung der Blauhelme und somit der Vereinten Nationen liegt. Ziel aber ist, sich dauerhaft von fremder Hilfe unabhängig zu machen, der grassierenden Kriminalität den Kampf anzusagen und eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage herbeizuführen. So jedenfalls schildert Pfarrer Cédric die Bestrebungen seiner Vorgesetzten.
Bildung ist wichtigste Waffe gegen die Armut
Entsprechend groß sind die Ansprüche an den neuen Generalsekretär in einer Art Vermittlerrolle zwischen Staat und Kirche. "Nie war die Ausgangslage schwieriger", konstatiert Cédric Kongbo Gbassinga. "Aber deshalb gehöre ich gerade jetzt zu meinem Volk. Ich bin Priester geworden, um ihm zu dienen. Auch wenn mir die Seelsorge in Deutschland Freude macht und mir die Menschen ans Herz gewachsen sind – hier bin ich nur ein Rädchen im System. In meiner Heimat aber werde ich gebraucht. Das ist etwas ganz anderes, weil die Menschen dort existenziell auf die Unterstützung der Kirche angewiesen sind. Sie hat eine starke karitative Präsenz und engagiert sich im Bildungswesen." Beides sei überlebensnotwendig für die Bevölkerung. "In meinem Land kann ich daran mitarbeiten, für die Menschen eine Veränderung zum Guten zu schaffen. Denn dort ist die Kirche die Stimme der Stimmlosen, Armen und Ausgestoßenen. Daher ist bei ihnen mein Platz."
Pfarrer Cédric nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die desolaten Missstände in seiner Heimat beschreibt. "Es ist ein Teufelskreis: Viele Menschen sterben mangels medizinischer Versorgung, große Teile der Bevölkerung sind Analphabeten, die Wirtschaft ist gelähmt, und die Kinder können aus Angst vor Anschlägen nicht in die Schule, weil nicht für ihre Sicherheit gesorgt ist. Dabei ist Bildung die wichtigste Waffe beim Kampf gegen die Armut." Im gesamten Land bestehe die Gefahr, Opfer von Entführungen, Plünderungen, Gräueltaten und Massakern zu werden, so der Geistliche. Die Gewalt sei allgegenwärtig.
Tausende auf der Flucht vor Gewalt
"Waren die Ex-Seleka-Rebellen mit muslimischer Mehrheit und die Antibalakas-Gruppen früher miteinander verfeindet, bilden sie heute um den Putschisten, Ex-Präsident Francois Bozizé, eine Koalition", erläutert Pfarrer Cédric. "Zunächst war es Ziel dieser fragwürdigen neuen Bündnispartner, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 27. Dezember um jeden Preis zu verhindern. Da ihnen das nicht gelungen ist, verfolgen sie inzwischen den Plan, das neu gewählte parteilose Staatoberhaupt Touadéra zu stürzen."
Tausende seien auf der Flucht, teilweise mischten sich bewaffnete Rebellenkämpfer unter die Flüchtlinge und schürten so zusätzlich Angst. Die Söldner aus den angrenzenden Staaten plünderten die üppig vorhandenen Bodenschätze. "Denn eigentlich ist das Land reich an Öl, Uran, Gold und Diamanten. Es müsste nicht in Armut und Anarchie versinken", erklärt der Theologe. Letztlich sei der Zerfall des Landes auch das Ergebnis eines jahrzehntelangen chaotischen Führungsstils mit viel Korruption und Vetternwirtschaft.
Alle sehnen sich nach Frieden
"Das Hauptproblem aber sind die kriminellen Rebellen in den einzelnen Provinzen und dass die Regierung keine Kontrolle über das Land hat, während die Armut der Zivilbevölkerung zunimmt und sich alle zehn Jahre ein neues Regime an die Macht putscht. Das macht die Menschen wütend." Die zunehmende Rückeroberung der Provinzstädte durch das landeseigene Militär, das dabei von den russischen und ruandischen Alliierten unterstützt wird, sei für viele ein Hoffnungsschimmer. "Zumal sich alle nach Frieden sehnen", so der neue Generalsekretär.
Also eine Mammutaufgabe für die lokale Kirche? "Ja, aber ich bin nicht allein. Wenn der Herr mich hierhin stellt, da bin ich zuversichtlich, wird er mir auch die dafür nötige Kraft schenken, meinen Teil zur Lösung der enormen Probleme meines Landes beizutragen. Es entspricht meinem Selbstverständnis, mich meiner Kirche zur Verfügung zu stellen. Ohne Wenn und Aber. Priestersein ist ein Dienst. Und ich bin nur ein Werkzeug. Wenn die Kirche bei dieser Aufgabe an mich gedacht hat, bin ich bereit."