Hildesheimer Betroffeneninitiative kritisiert Umgang mit Bischofsgruft

"Ein schwaches Zeichen"

Das Bistum Hildesheim hat beschlossen, dass Bischöfe künftig nicht mehr in der Bischofsgruft, sondern auf dem Annenfriedhof bestattet werden. Für Jens Windel von der Betroffeneninitiative-Hildesheim ist das ein schwaches Zeichen.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Archivbild: Die Bischofsgruft im Hildesheimer Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Archivbild: Die Bischofsgruft im Hildesheimer Dom / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Keine Bischofsbestattung mehr in der Gruft des Hildesheimer Domes. Auch soll die Gruft nicht mehr öffentlich zugänglich sein. Angehörige der dort ruhenden Bischöfe erhalten Zutritt nach vorheriger Anmeldung. Wie stehen Sie zu diesem Beschluss? 

Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim / © Moritz Frankenberg (dpa)
Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim / © Moritz Frankenberg ( dpa )

Jens Windel (Betroffeneninitiative-Hildesheim): Der Beschluss zeigt eigentlich, wie das Bistum Hildesheim mit den Betroffenen umgeht und wie weit eigentlich die Anliegen der Betroffenen verstanden wurde. Ich finde, es ist sehr unsensibel, wie man jetzt nicht nur mit uns, die wir diese Forderungen aufgestellt haben, umgeht, sondern auch mit den insgesamt fünf Betroffenen von Bischof Janssen. Das ist meines Erachtens wie ein Faustschlag ins Gesicht. Man schaut immer noch über das Leid von den Betroffenen hinweg und nimmt es nicht ernst. 

DOMRADIO.DE: Was genau kritisieren Sie an diesem Beschluss? 

Windel: Zum einen ist der Dom natürlich ein Magnet für viele Touristen, die sich den Dom und natürlich auch die Grabstellen anschauen. Wenn dort in einem Weltkulturerbe ein Täter liegt, dann schmälert es diese Missbräuche und diese Verbrechen, die an den damaligen Kindern begangen wurden. 

DOMRADIO.DE: Für Sie ist es also unverständlich, dass die in der Gruft beigesetzten Bischöfe, insbesondere Heinrich Maria Janssen, dort liegen bleiben. Das Domkapitel begründet seine Entscheidung damit, die Totenruhe solle dadurch gewahrt und auch der Eindruck eines Richterspruchs über die Verstorbenen vermieden werden. Es handelt sich ja tatsächlich um Vorwürfe. Aber was genau verletzt jetzt die Betroffenen, die Bischof Heinrich Maria Janssen eben genau das vorwerfen? 

Windel: Wenn man ihn nur von einem Vorwurf spricht, kann man das auf der einen Seite ja sicherlich verstehen, es gibt keinen Richterspruch dazu. Wir gelten dann aber nur als Halbbetroffene. Und das sind die Betroffenen nicht.

Man kann nicht sagen, auf der einen Seite sind sie betroffen, wir erkennen sie an, und auf der anderen Seite sagen: Nein, es handelt sich um Anschuldigungen. Da sehe ich einfach mehr Verantwortungsübernahme durch das Bistum gefordert. 

Zum anderen beißt sich das mit der Sanierung der Bischofsgruft, wenn man ihn jetzt nicht aus der Gruft rausnehmen möchte, um die Totenruhe nicht zu stören. Denn bei der Sanierung war es möglich, dass man den Leichnam hinausnimmt, zwischenlagert und auch wieder einsetzt. Dieses Argument zählt für mich nicht. 

Jens Windel

"Ich finde, diese Tafel ist ein zu schwaches Zeichen."

DOMRADIO.DE: Jetzt soll nun eine Hinweistafel vor der Bischofsgruft aufgestellt werden, welche auf die Vorwürfe gegen den verstorbenen Bischof Janssen hinweist. Was soll Ihrer Meinung nach auf dieser Tafel auf jeden Fall stehen und was nicht? 

Windel: Ich finde, diese Tafel ist ein zu schwaches Zeichen. Das erst mal vorweg. Es muss aber auf jeden Fall auf den Missbrauch hingewiesen werden und auf die Vertuschung von vielen Taten. Es geht ja nicht nur um die fünf Betroffenen, was schon schwer genug ist, sondern auch darum, was Bischof Janssen vertuscht hat. 

DOMRADIO.DE: Wenn es um Vertuschung und den Umgang mit sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim geht, dann trifft das ja nicht nur Bischof Janssen, der dort ruht, sondern auch andere dort ruhende Bischöfe. 

Windel: Genau richtig. Insgesamt gibt es ja da drei Bischöfe, die unter Tatverdacht stehen. Da muss man natürlich auch überlegen, wie man damit umgeht. 

Jens Windel

"Wenn man argumentiert, dass wir es mit einem Weltkulturerbe zu tun haben, dann müsste man sagen, dass Täter generell nichts im Dom zu suchen haben dürfen."

DOMRADIO.DE: Künftige Bestattungen der Hildesheimer Bischöfe sollen auf dem Annenfriedhof erfolgen. Das ist ein Ort zwischen den Kreuzgängen der Kathedrale. Dort blüht auch der bekannte 1000-jährige Rosenstock. Ist das in Ihren Augen ein angemessener Bestattungsort für die Hildesheimer Bischöfe? 

Windel: Man muss erst mal sagen, dass nicht jeder Bischof schlecht ist oder vertuscht hat. Sicherlich muss auch irgendwo eine Würdigung stattfinden. Nichtsdestotrotz ist der 1000-jährige Rosenstock, der direkt am Annenfriedhof ist, natürlich der meistgesuchte Ort. Die Stadt Hildesheim selbst hat ja auch die Rose als Wahrzeichen. 

Am Hildesheimer Dom blüht der 1.000-jährige Rosenstock. / © pisces2386 (shutterstock)
Am Hildesheimer Dom blüht der 1.000-jährige Rosenstock. / © pisces2386 ( shutterstock )

Von daher finde ich es schwierig, diesen Ort für die letzte Ruhestätte der Bischöfe zu nutzen, weil man nie weiß, was hinterher noch rauskommt, ob es wieder irgendwo Missbrauchsvorwürfe gibt. Auch da müsste man dann wieder überlegen, ob man ihre Leichname von dort herausnimmt. Wenn man argumentiert, dass wir es mit einem Weltkulturerbe zu tun haben, dann müsste man sagen, dass Täter generell nichts im Dom zu suchen haben dürfen. Sie dürften weder in der Gruft liegen, noch auf dem Annenfriedhof. 

DOMRADIO.DE: Der Hildesheimer Dom ist jetzt in Deutschland die erste Kathedralkirche, die einen solchen Beschluss erlassen hat. Andernorts ist anders entschieden worden oder man hat sich dort noch nicht mit dieser Thematik befasst. Was erwarten Sie sich durch die Entscheidung in Hildesheim? Kommt nun auch in anderen Kathedralkirchen in Deutschland Bewegung in die Auseinandersetzung mit der Thematik?

Windel: Für mich ist das keine starke Bewegung, die jetzt hier stattgefunden hat. Wenn man böse denkt, könnte man meinen, wenn in 20-30 Jahren Gras darüber gewachsen ist, dann wird irgendwann die Gruft wieder eröffnet und alles ist wieder beim Alten. 

So ein schwaches Zeichen, wie ich es nenne, das kann natürlich auch in anderen Bistümern stattfinden und vielleicht geht man woanders ähnlich damit umgeht. Eine wirkliche Bewegung würde ich es aber jetzt nicht nennen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Betroffene kritisieren Entscheidung zu Hildesheimer Bischof Janssen

Betroffene sexualisierter Gewalt kritisieren den Beschluss des katholischen Bistums Hildesheims, den Leichnam des früheren Bischofs Heinrich Maria Janssen (1907-1988) nicht aus der Bischofsgruft des Hildesheimer Doms zu entfernen. "Die Entscheidung von Bistumsleitung und Domkapitel, Bischof Janssen in der Gruft zu belassen, ist beschämend", teilte der Betroffenrat Nord am Donnerstag mit. Nun ruhe ein "Täterbischof", dessen bisher bekannte Opfer noch lebten, weiterhin unter den Gläubigen, die sich im Dom versammeln.

Hildesheimer Dom / © telesniuk (shutterstock)
Quelle:
DR