Hilfsorganisationen für Schutzkonzepte in Flüchtlingsheimen

"Kein Pardon bei sexueller Gewalt"

Fast wöchentlich gibt es in diesen Tagen Meldungen über Übergriffe in Flüchtlingsheimen. Täter sind Mitarbeiter des Wachpersonals, Helfer, aber auch andere Bewohner. Hilfsorganisationen drängen auf mehr Schutz für Frauen und Kinder.

Autor/in:
Birgit Wilke
Sicherheitsdienst vor einem Flüchtlingsheim / © Marijan Murat (dpa)
Sicherheitsdienst vor einem Flüchtlingsheim / © Marijan Murat ( dpa )

"In unseren Unterkünften gibt es kein Pardon", sagt Matthias Nowak. Verstöße gegen die Hausordnung würden sofort geahndet, so der Sprecher und Flüchtlingsbeauftragte der Berliner Malteser. Dies gelte natürlich auch für sexuelle Übergriffe, die aber bislang in den Malteser-Flüchtlingseinrichtungen kaum vorgekommen seien. Aber er berichtet von einem Familienvater, der die Unterkunft verlassen musste, weil er gegenüber Frauen gewalttätig war. Im Großen und Ganzen sei die Stimmung in ihren Einrichtungen, in denen die Malteser bundesweit immerhin 60.000 Flüchtlinge betreuen, "sehr friedlich".

Übergriffe gegen Frauen und Kinder

In vielen anderen Unterkünften scheint das anders auszusehen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm-Rörig, geht sogar davon aus, dass es bundesweit fast in jedem Heim Übergriffe auf Frauen, Kinder und Jugendliche gibt - sei es durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen, Helfer oder andere männliche Bewohner. Fast jede Woche erhalte sein Büro Anrufe, in denen Übergriffe auch gegenüber Kindern und Frauen geschildert würden.

In den Heimen herrschten teilweise chaotische Zustände. Rörig dringt deshalb wie viele Hilfsverbände auf Mindeststandards für schutzbedürftige Flüchtlinge. Aus dem Asylpaket II, das der Bundestag im Februar verabschiedete, fiel dieser Forderung aber wieder heraus.

Konzepte für Gewaltschutz nötig

Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnt Konzepte für Gewaltschutz in Flüchtlingseinrichtungen an. Es müsse klar sein, was bei Vorfällen genau zu tun sei, so die Juristin Heike Rabe, die für das Institut arbeitet. Vergleichsweise vorbildlich sei das Bundesland Niedersachsen, das solche Regeln zumindest für die Erstaufnahmeeinrichtungen habe. Konkret plädiert sie etwa für Schutzräume für Frauen, für getrennte Sanitäranlagen und verpflichtende Schulungen für die Mitarbeiter in den Unterkünften.

Anders als einige Vereine glaubt sie nicht, dass in jedem Fall der Auszug einer Familie aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine eigene Wohnung die Lösung ist. Sie weiß von Fällen, bei denen der Ehepartner gewalttätig ist. "Wenn die Familie dann anonym in eine Wohnung zieht, bekommt niemand mehr die Gewalt mit", so Stern.

Keine Meldung wegen Angst vor Abschiebung

Die Betroffenen seien häufig über ihre Rechte, die sie in Deutschland haben, nicht aufgeklärt. Auch die Angst vor Abschiebung spiele eine große Rolle. Viele Frauen hätten Sorge davor, als "unbequem" aufzufallen, wenn sie zur Polizei gingen, und fürchteten negative Auswirkungen auf ihren Asylantrag. Auch wenn der Ehemann derjenige sei, dem etwa wegen politischer Verfolgung in seinem Heimatland ein Recht auf Asyl zusteht, schreckten die Frauen bei sexueller Gewalt vor einer Anzeige zurück.

Die Berliner Sozialpädagogin Nivedita Prasad, die an der Alice Salomon Hochschule lehrt, spricht sich deshalb für mobile Beratungsteams aus, die in die Unterkünfte gehen und den Frauen etwa Tipps zur Gesundheitsvorsorge geben. Sie könnten Vertrauen zu den Bewohnerinnen aufbauen. Schließlich müsse erst einmal eine Atmosphäre entstehen, in der die Frauen sich trauten, über Übergriffe etwa auch schon während der Flucht zu erzählen.

Malteser engagieren sich

Dies weiß auch Maria Stock, Leiterin der Flüchtlingsbildungsstätte "Jack" in Berlin-Neukölln, die etwa Deutschkurse nur für Frauen anbietet. Mütter können ihre Kinder mitbringen, denn auch für Betreuung ist in der Einrichtung, die von der katholischen Kirche unterstützt wird, gesorgt. Ihre Kurse böten für die Frauen zudem die Gelegenheit, "mal 'raus zu kommen".

Im Berliner ICC, das die Malteser betreuen und in dem rund 1.000 Flüchtlinge wohnen, ist es schwer, Rückzugsräume zu schaffen. Nowak ist froh, dass ihm Rigips-Trennwände genehmigt wurden und die Messe-Stellwände nun aussortiert wurden. Auch getrennte Sanitäranlagen sind vorhanden. Zudem bieten Helfer Strick-, Näh- und Bastelkurse für Frauen, die "gut angenommen werden". Auch für ein anderes Problem wurde eine Lösung gefunden. An der gemeinsamen "Strominsel", an denen die Flüchtlinge ihre Handys aufladen können, kam es immer wieder zu Konflikten. Jetzt gibt es eine "Insel" nur für Frauen und Kinder.


Quelle:
KNA