Hilfswerk Adveniat blickt auf Lage der Jugend in Lateinamerika

Massenexodus aus Zentralamerika

Die Migrationspolitik bestimmt immer mehr die Wahlkämpfe - sei es in Nord- oder Südamerika. El Salvador gehörte lange Jahre zu den Migrationshotspots. Was muss passieren, damit die jungen Menschen in ihrer Heimat bleiben?

Autor/in:
Tobias Käufer
Junge Anhänger von Präsident Bukele jubeln am 04.02.2024 vor einem Wahllokal in El Salvador / © Salvador Melendez / AP  (dpa)
Junge Anhänger von Präsident Bukele jubeln am 04.02.2024 vor einem Wahllokal in El Salvador / © Salvador Melendez / AP ( dpa )

Der Wagen quält sich durch den dicken Schlamm. Bergauf braucht es mehrere Versuche, um den Hügel hinaufzukommen. Manchmal ist es nur eine Straße, die den Unterschied macht - den Unterschied, ob eine Region abgehängt oder angebunden ist an die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes. An den Zugang zu Bildung und zu den Märkten in den größeren Städten. 

"Eine Straße wäre das Wichtigste für uns", sagt Carmen Marisiela (22) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und wer einmal die beschwerliche Anreise von San Salvador nach El Higueral auf sich genommen hat, versteht sofort warum.

Für die jungen Menschen in dem Dorf wäre eine solche Verbindungsstraße essenziell: "Ich habe ein Hühnergeschäft. Für mich ist es wichtig, liefern zu können und beliefert zu werden. Im Moment gibt es aber im Dorf nur ein Auto, das für die Touren zur Verfügung steht. Eine Straße würde eine Busverbindung bedeuten und damit Anschluss an den Rest des Landes", sagt Carmen.

Düstere Geschichte

Das Dorf hat eine Geschichte, die unter die Haut geht. Am 14. Februar 1981, während des Bürgerkriegs, kamen Militärs in die Ortschaft und metzelten alles nieder, was sie in Häusern und Hütten antrafen. El Higueral war eine linke Hochburg. 

Das reichte für den Verdacht, hier würden auch kämpfende Guerilleros leben. Für die Menschen war das ein Todesurteil. Hier, weit draußen in den Bergen, abseits der großen Städte hat ohnehin niemand genau hingeschaut. Also tötete die Armee.

Junge Frauen, unter ihnen Carmen Marisiela, gebürtig aus El Higueral (El Salvador), am 16. Oktober 2024 in El Higueral (El Salvador) / © Tobias Käufer (KNA)
Junge Frauen, unter ihnen Carmen Marisiela, gebürtig aus El Higueral (El Salvador), am 16. Oktober 2024 in El Higueral (El Salvador) / © Tobias Käufer ( KNA )

Nachbarn, die wieder ins Dorf kamen, mussten über die Leichen klettern. Schließlich gaben sie auf und gingen. "14. Februar 1981: Tag des Massakers", steht auf dem Schild am Ortseingang. "3. März 1989: Tag der Wiederbevölkerung".

Das Massaker von damals hat die Dorfgemeinschaft von heute zusammengeschweißt. Wenn die Alten erzählen, was passiert ist, wird es ganz still in der Runde. Sie berichten von der Todesstille, als sie zurückkamen. 

Als die Leichen in den Häusern lagen oder auf der Straße. Es sind Lehrstunden der salvadorianischen Geschichte. Sie handeln von einem Bürgerkrieg, der von 1980 bis 1991 dauerte und wohl 70.000 Menschen das Leben kostete. 

Die Ermordung des Erzbischofs von San Salvador, Oscar Romero, durch rechte Todesschwadronen 1980 ging um die Welt. Ebenso das blutige Attentat gegen sechs Jesuitenpater, ihre Haushälterin und deren Tochter 1989.

Hoffnung auf eine Wende

Die Jungen von El Higueral hoffen auf eine Chance ein Leben so aufzubauen, wie es sich wünschen. "Die Kirche hat uns geholfen, uns auf diese Chance zu konzentrieren und nicht daran zu denken, hier wegzugehen. Wir wollen etwas aufbauen", sagt Carmen Marisiela. 

Das kirchliche Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt mit der Weihnachtsaktion 2024 die Projekte jungen Menschen, damit sie in ihrer Heimat bleiben können und nicht wie so viele andere ihre Chance in der Migration sehen. 

Motiv des Aktionsplakats "Glaubt an uns – bis wir es tun!" Adveniat Weihnachtsaktion 2024 (Adveniat)
Motiv des Aktionsplakats "Glaubt an uns – bis wir es tun!" Adveniat Weihnachtsaktion 2024 / ( Adveniat )

Im Jahr 2021 lebten laut "United States Census Bureau" schätzungsweise 1,4 Millionen in El Salvador geborene Menschen in den Vereinigten Staaten. Ein Massenexodus aus einem Land mit etwa sieben Millionen Einwohnern und der Größe Hessens.

Die Menschen im Dorf haben eine Geschäftsidee, ein Konzept und die Motivation: Ökologisch sauber hergestellter Honig soll das Auskommen sichern. Es gibt kleine Felder für die Bio-Landwirtschaft. Später sollen Bio-Shampoo und Bio-Seife dazukommen. 

Sie verbinden moderne Ideen mit den Traditionen der Kleinbauern. Was fehlt: Die Verbindung zum Markt. Eine Straße, die ihren Honig nach San Salvador bringt.

Oder die Menschen zu einem Ausflug hierhin. Carmen und ihre Mitstreiter sehen sich in einer Vorreiterrolle: 

"Die meisten Menschen wollen hierbleiben und sich ihre eigene Zukunft aufbauen. Wenn sie sehen, dass wir unser Unternehmen gründen und das hier funktioniert, wollen und werden sie auch ihre eigene Firma gründen. Man muss nicht aus El Salvador weg, um glücklich zu werden."

Lebenssituation von Jugendlichen in El Salvador

El Salvador ist eines der gewalttätigsten Länder der Welt. Im Jahr 2018 gab es hier laut Aussagen der nationalen Polizei 64 Morde auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland sind es laut Statistik 2,9. Ganze Stadtviertel und Regionen sind unter der Kontrolle von kriminellen Jugendbanden, den sogenannten "Maras". Zusätzlich gibt es mit 33 Prozent eine hohe Armutsquote. 

Flagge El Salvadors flattert im Wind / © Creative Photo Corner (shutterstock)
Flagge El Salvadors flattert im Wind / © Creative Photo Corner ( shutterstock )
Quelle:
KNA