Hilfswerk Renovabis wird 30 Jahre alt

"Erneuerung" im lateinischen Namen

Renovabis ist der Junior unter den sechs weltkirchlichen Hilfswerken in Deutschland. Aber mit dem 30. Geburtstag ist auch die verlängerte Jugendphase vorbei. Als Scharnier zwischen Ost und West wächst seine Bedeutung.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Berg der Kreuze in Siauliai (Litauen) / © Simon Koy (KNA)
Berg der Kreuze in Siauliai (Litauen) / © Simon Koy ( KNA )

Frisch renoviert sieht es bei Renovabis aus. Im Zuge der großangelegten Umbauarbeiten auf dem Freisinger Domberg hat das Hilfswerk sein neues Domizil im Marstallgebäude erhalten.

Thomas Schwartz / © Dieter Mayr (KNA)
Thomas Schwartz / © Dieter Mayr ( KNA )

Wer die Erneuerung im lateinischen Namen trägt, dem steht das gut an. Der seit knapp anderthalb Jahren amtierende, nicht mehr ganz so neue Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz hat weitere Innovationen vor Augen.

Nicht, dass Renovabis in die Jahre gekommen wäre. Aber mit seinem 30. Geburtstag am 3. März lässt das Hilfswerk auch nach großzügigerem Maßstab die Jugend endgültig hinter sich. "Renovabis wird langsam erwachsen", sagt Schwartz (58).

Katastrophenhilfe statt Entwicklungszusammenarbeit

Zum Feiern ist ihm weniger zumute, nicht zuletzt angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine, der seine Organisation und ihre Partner seit einem Jahr vor neue Herausforderungen stellt: Statt Pfarrheime zu bauen gilt es nun auch Notstromaggregate zu beschaffen und Schutzräume auszustatten. Katastrophenhilfe statt Entwicklungszusammenarbeit.

Ukraine, Butscha: Zwei ukrainische Soldaten gehen auf einer Straße, die übersät ist mit zerstörten russischen Militärfahrzeugen / © Rodrigo Abd (dpa)
Ukraine, Butscha: Zwei ukrainische Soldaten gehen auf einer Straße, die übersät ist mit zerstörten russischen Militärfahrzeugen / © Rodrigo Abd ( dpa )

Der Hauptgeschäftsführer will das Jubiläum vor allem zur Selbstreflexion nutzen. Der Augsburger Diözesanpriester und Vertraute von Weltkirche-Bischof Bertram Meier sieht etwa Bedarf für ein professionelleres Projektmanagement. Als Wirtschaftsethiker mit einer Honorarprofessur verfügt Schwartz dabei über eigene Kompetenzen.

Neu aufstellen muss sich Renovabis aber nicht nur, weil plötzlich ein Krieg mitten in Europa stattfindet. Die Zuschüsse aus der Kirchensteuer werden absehbar weniger, da braucht es mehr Fantasie bei der Finanzierung. Schwartz denkt an Unternehmen, die in Ost- und Südosteuropa mit eigenen Niederlassungen engagiert sind; familiengeführte Firmen mit hohen Wertvorstellungen, die sie weitergeben wollten, aber manchmal nicht so recht wüssten, wie. Hier könnte Renovabis mit seiner Expertise unterstützenswerte Projekte vermitteln und ihnen bei der Abwicklung zugleich Kosten sparen helfen.

Politisch wird sich Renovabis als Anwalt weiterer EU-Beitrittskandidaten in Anspruch nehmen lassen. Nord-Mazedonien und Albanien klopfen an die Tür der Staatengemeinschaft. Und an Serbien, wo der russische Einfluss wächst, lässt sich ablesen, wohin zu langes Zuwarten führen könnte.

Solidarität und Partnerschaft

Von Anfang an verstand sich Renovabis nicht nur als Geldgeber für den Aufbau kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen in den Nachfolgestaaten der untergegangenen Sowjetunion. Man wollte nicht als reicher Onkel aus dem Westen gelten; vielmehr waren Solidarität und Partnerschaft Schlüsselworte in der Gründungsurkunde.

Auf Kongressen, Partnerschaftstreffen und in der eigenen Fachzeitschrift "Ost-West. Europäische Perspektiven" wurden Verbindungen geschaffen und befestigt, die in Zeiten kontinentalen Auseinanderdriftens immer wichtiger werden.

Symbolbild Armut / © David Tadevosian (shutterstock)

Der Renovabis-Hauptgeschäftsführer plädiert für einen geduldigen, aber erwachsen geführten Dialog: in dem man sich bei allem Respekt auch einmal klar die Meinung sagt und einen Dissens stehen lassen kann, ohne gleich die ganze Beziehung infrage zu stellen.

Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs

Zu den leidigen Themen, die Schwartz von seinen Vorgängern geerbt hat, gehört sexueller Missbrauch. Schon kurz nach seinem Amtsantritt sorgte der Fall eines einschlägig vorbestraften Trierer Diözesanpriesters für Schlagzeilen.

Symbolbild sexualisierte Gewalt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild sexualisierte Gewalt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Mit guten Kontakten zu Renovabis ausgestattet, ging der Geistliche vor der Jahrtausendwende in die Ukraine und verging sich dort in Cherson erneut an Kindern.

Schwartz liegt der Fall im Magen. Nicht nur wegen der dabei zutage getretenen systemischen Defizite bei den beteiligten kirchlichen Institutionen. Mehr noch deshalb, weil es ihm auch nach dem Zurückweichen der russischen Streitkräfte aus der südukrainischen Großstadt noch nicht gelungen ist, einen Kontakt zu den Betroffenen dort herzustellen. Zu gefährlich die Lage, hört er vom Bischof. "Es ist schmerzhaft, dass uns da derzeit die Hände gebunden sind", sagt er.

Eine mit einem Ultimatum versehene klare Ansage gibt es bei dem Thema dagegen an die Projektpartner. Bis Ende April müssen alle ein Präventionskonzept haben, Schulungen durchführen und Transparenz herstellen. Sonst gibt es kein Geld mehr von Renovabis.

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

 © Renovabis
© Renovabis
Quelle:
KNA