In Deutschland riefen Bischöfe zu Frieden und Zuversicht auf und wandten sich gegen Abschottung, einen Missbrauch von Religion und zu viel Konsum. Zudem äußerten sie sich zum Missbrauchsskandal.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat in der Christmette dafür geworben, Jesus Christus als Gottes Sohn und Retter der Welt anzunehmen. "Lassen wir ihn gerade heute nicht draußen bleiben aus unserem Leben", sagte der Erzbischof zu nächtlicher Stunde im Kölner Dom. "Es darf Jesus nicht gehen wie damals, als für ihn in der Herberge kein Platz war, als er geboren wurde, so dass er draußen im Stall zur Welt kommen musste."
Obwohl Gott allmächtig sei, komme er als schwaches und hilfloses Kind zur Welt, so Woelki. "Er ist so mächtig, dass er es sich leisten kann, ganz hilflos zu werden." Gott trete nicht mit Macht und Gewalt auf. "Er will nicht zwingen, sondern die Herzen von uns Menschen gewinnen und sie von innen her erlösen", betonte der Kardinal.
Die Weihnachtsbotschaft bringe "Licht und Aufklärung", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, in der Christmette. Angesichts dieser Botschaft könne man keine fundamentalistische Religion aufbauen. Auch könne der Glaube nicht zur Dekoration werden für eine verloren geglaubte Identität. Religion könne auch missbraucht werden als "Schwungrad für Fundamentalismus und für ein 'Freund-Feind-Denken', ja für Hass und Gewalt". Deshalb müsse sich auch das Christentum der Selbstkritik stellen.
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker beklagte einen Vertrauensverlust der Kirche durch den Missbrauchsskandal. Selbst in der Feier der Christmette könne nicht so getan werden, als ob es diese Erfahrungen des Jahres 2018 nicht gäbe.
Nach Worten von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck geht für die Kirche eine alte Zeit zu Ende. Nach dem "unglaublichen Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche" stünden bei ihr Veränderungen an, sagte er in der Christmette im Essener Dom.
Der katholische Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, sagte, das Ausmaß von sexueller Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen gehe "an die Substanz von Glauben und Kirche". Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr äußerte die Hoffnung, "dass Gott auch in dieser Zeit seine Kirche nicht verlässt, in der wir so viel Schreckliches über den Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Raum der Kirche erfahren müssen".
Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, zeigte sich besorgt über Kriege und humanitäre Katastrophen. Er rufe alle Religionen und religiösen Menschen weltweit auf, "in einen heilsamen Wettbewerb einzutreten, wer am intensivsten für den Frieden arbeitet und am wirkungsvollsten Versöhnung stiftet".
Aachens Bischof Helmut Dieser prangerte in der Christmette im Dom die moderne Konsumgesellschaft an. Das "Immer-Mehr und Immer-Schneller" werde zu einem "Immer-Falscher", sagte er.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagte in der Sankt-Hedwigs- Kathedrale, Furcht werde in immer mehr Lebensbereichen zur Grundstimmung einer Gesellschaft auf schwankendem Boden.
Die Weihnachtsbotschaft hat für den Trierer Bischof Stephan Ackermann nichts mit Nostalgie zu tun. Richtig verstanden wolle sie nicht "einlullen und einschläfern" - sondern sei im Gegenteil ein "sehnsuchtsvolles Protestlied gegen die bestehenden Verhältnisse", sagte Ackermann in der Christmette im Dom.
Zu einem "bescheidenen und besonnenen" Lebensstil hat der Bischof von Münster, Felix Genn, aufgerufen. Die Geburt Jesu in Armut sei der "dringende Impuls", das Leben mit den Armen zu teilen, sagte der katholische Bischof in seiner Predigt an Heiligabend in Münster. Dazu gehöre auch die Rücksicht auf die ökologischen Bedingungen und die Sorge um die kommenden Generationen.
Die mit der Geburt Jesu erschienene Gnade Gottes wolle allen Menschen das Heil bringen, nicht nur für ein bestimmtes Volk oder eine bestimmte Gruppe, betonte Genn. Menschen sollten sich nicht beeindrucken lassen von Zeichen weltlicher Macht und Größe. Die Krippe mit dem neugeborenen Jesuskind habe "nicht im warmen Wohnzimmer" gestanden, sondern im Stall bei Tieren und Menschen "mitten im Schmutz und Schweiß dieser Welt", so der Bischof von Münster.
Weihnachten ermuntert nach Auffassung von Hamburgs Erzbischof Stefan Heße dazu, auf Gott und auf andere Menschen zuzugehen. "Gott lehnt sich aus dem Fenster", sagte er in der Christmette im Mariendom. Er verlagere den Schwerpunkt von seiner ewigen Herrlichkeit auf die Erde. "Wenn Gott sich so aus dem Fenster lehnt, dann will er uns ermutigen, das Gleiche zu tun."
Heße rief daher die Christen auf, Position zu beziehen. "Weihnachten fordert uns dazu auf, uns auf die Seite des Menschen zu stellen, damit unsere Welt menschlicher wird", so der Erzbischof. Das Fest verlange aber auch, sich gegenüber Gott aus dem Fenster zu lehnen und ihn zum Schwerpunkt des eigenen Lebens zu machen. Das neugeborene Kind könne helfen, "dass wir uns an diesem Weihnachten und in der folgenden Zeit mehr und mehr aus dem Fenster unseres Lebens hinausbewegen auf andere Menschen zu und auf Gott zu."
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, betonte, die Weihnachtsbotschaft gelte gleichermaßen für alle Menschen, egal in welchen Verhältnissen sie leben. Das kleine Kind von Bethlehem habe Licht in die Dunkelheit für jeden Menschen gebracht, sagte er bei einem Besuch eines Heims für Wohnungslose an Heiligabend in München. Die Lichter und Kerzen zögen deshalb auch Menschen an, die selbst keine Christen sind. Denn sie spürten an Weihnachten eine Sehnsucht nach Frieden und Liebe.
Der rheinische Präses Manfred Rekowski sieht in der christlichen Weihnachtsbotschaft "eine große Protestkraft". Die Menschwerdung Gottes durch Jesu Geburt stelle die Machtfrage, sagte Rekowski in seiner Predigt an Heiligabend in der Düsseldorfer Johanneskirche. "Gott will das Kind von Weihnachten, den Friedensbotschafter, in die Schalt- und Regierungszentrale der Welt gesetzt sehen."
Damit würden die Spielregeln der Welt radikal verändert, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten evangelischen Landeskirche weiter. "Gott hat Jesus mit seiner Liebe und Menschenfreundlichkeit ins Recht gesetzt gegen die Rechthaber in Politik und Religion." Der Glaube an Jesus, den Friedensbotschafter, könne die Menschen von ihrem Egoismus erlösen und aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt befreien, unterstrich Rekowski.