Musik gehört zur Advents- und Weihnachtszeit wie Plätzchen backen und die Bescherung am Heiligabend. So kommt man an besinnlich-fröhlichen Weihnachtsliedern in diesen adventlichen Tagen einfach nicht vorbei, will man sich von dieser Vorfreude auf die Menschwerdung Gottes tatsächlich anstecken und berühren lassen. Und damit ist nicht die dem Kommerz zuträgliche "Berieselung" auf den Weihnachtsmärkten gemeint, wo Menschen bekanntlich gerne in eine Weihnachtsstimmung eintauchen, die sie zwischen "Jingle bells" und "White Christmas" einen Moment lang die Sorgen dieses zweiten Corona-Winters vergessen lassen. Sondern zu Herzen gehende Motetten in Echtzeit, der zeitintensive anspruchsvolle Probenarbeit vorausgeht sowie große Lust am gemeinschaftlichen Musizieren.
Im Dezember stemmen die vier Chöre am Kölner Dom bekanntlich ein strammes Programm (zur Galerie). Vor allem die Sängerinnen des Mädchenchores sowie die Knaben und Herren des Domchores sind dann fast jeden Abend zu Proben an ganz unterschiedlichen Orten unterwegs und absolvieren in der letzten Woche vor Weihnachten geradezu einen musikalischen Endspurt, schließlich geht es um Vokalmusik auf Spitzenniveau. Dann stehen viele der traditionellen und altvertrauten Adventslieder auf der Agenda der Dommusiker: beispielsweise "Wir sagen euch an den lieben Advent" oder "Maria durch ein Dornwald ging", vor allem aber auch Vertonungen, bei denen beide Ensembles ihr ganzes Können unter Beweis stellen.
In der vorweihnachtlichen Betriebsamkeit innehalten
Dafür wählen die Chorleiter, Domkapellmeister Eberhard Metternich und Domkantor Oliver Sperling, immer eigens auch Literatur von hoher Qualität aus, zu der mitunter ganz besondere Perlen der Musikgeschichte zählen wie die Motetten "Es ist ein Ros entsprungen" von Michael Prätorius, "Machet die Tore weit" von Andreas Hammerschmidt oder "Ave Maria" von Franz Biebl. Aber auch die eher gängigen Stücke aus dem Repertoire beider Chöre wie "Christmas Lullaby" von John Rutter, "Sussex Carol" von Bob Chilcott oder "Hark! The Herald-Angels sing" von Felix Mendelssohn-Bartholdy gehören zu den beim Publikum äußerst beliebten Werken, die dann geradezu unverzichtbar sind und verlässlich die Herzen der Zuhörer höher schlagen lassen.
Da in diesem Jahr manches Adventskonzert coronabedingt ausfallen musste oder außerhalb Kölns – wie sonst üblich – gar nicht erst terminiert wurde, konzentriert sich nun alles auf das große Adventskonzert im Kölner Dom an diesem Dienstag um 20 Uhr, das von DOMRADIO.DE live übertragen wurde. Unter der Überschrift "Die Domchöre singen zum Advent" treten die rund 200 Sängerinnen und Sänger zwischen zehn und 25 Jahren nun schon zum 15. Mal zu diesem gemeinsamen Konzert wenige Tage vor Weihnachten auf, wobei sie an verschiedenen Standorten Aufstellung nehmen: der Mädchenchor auf den Altarstufen und der Domchor auf dem Chorpodest im südlichen Querhaus. Auch die Blechbläser der Kölner Dommusik, ein Quintett mit Trompeten, Horn, Posaune und Tuba, ist diesmal mit dabei und unterstützt das Anliegen der Veranstalter, für anderthalb Stunden in der vorweihnachtlichen Betriebsamkeit innezuhalten und mit dieser musikalischen Tradition dazu zu animieren, das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren.
Neben den Gottesdiensten und Konzerten auch Operntermine
Den krönenden Abschluss bildet dann Heiligabend das Konzert "Wir warten aufs Christkind", das eine fast doppelt so lange Geschichte hat und in den 28 Jahren seines Bestehens immer nachmittags in der Philharmonie stattfindet, nun aber zum ersten Mal spontan in den Gürzenich verlegt wurde. Auch hier steht die Einstimmung auf das Geschehen in der Heiligen Nacht im Vordergrund, für die neben den Chorleitern Metternich und Sperling der Düsseldorfer Pfarrer Christoph Biskupek mitverantwortlich zeichnet, der von Anfang an als Moderator mit im Boot war und stets mit einer Mischung aus Unterhaltsamem und zur Nachdenklichkeit Anregendem Klein und Groß durch den Nachmittag führt. Bis alle mit dem klassischsten aller Weihnachtslieder – "Stille Nacht, heilige Nacht" – in den Abend entlassen werden.
Last but not least gehören zum Programm der Jüngeren unter den Chormitgliedern in der Weihnachtszeit zusätzlich noch die stets parallel zu den vielen Gottesdiensten und Konzerten stattfindenden Operntermine: In diesem Jahr ist es "Hänsel und Gretel" von Humperdinck im Staatenhaus mit insgesamt 14 Aufführungen, an denen bis weit in den Januar allein über 50 Kinder in zwei Besetzungen beteiligt sind.
Domkantor: Singen ist immer besser als nicht singen
"Dass sich selbst bei diesem enormen Pensum immer noch so viele Freiwillige zu einer Opernproduktion melden, ist ein Zeichen dafür, wie froh die Kinder sind, nach diesen langen Monaten des Lockdowns oder reduzierten Probenbetriebs überhaupt wieder singen und auftreten zu können", stellt der Leiter der Kölner Dommusik, Domkapellmeister Metternich, fest. "Aber uns Erwachsenen geht es ja nicht anders. Wir leben doch ebenso von der Freude, die großen Kirchenfeste im Jahreskreis musikalisch vorzubereiten bzw. – wenn es dann soweit ist – dabei zu helfen, sie mit festlicher Musik für die Menschen erlebbar zu machen. Die Hauptsache singen dürfen – jedenfalls so lange es irgendwie geht. Denn zu keiner Zeit bewegt die Menschen Musik mehr als gerade zu Weihnachten." Nur "O du fröhliche" – dieses Lied gehe in Pandemie-Zeiten für ihn gar nicht und stehe infolgedessen in diesem Jahr auch nicht auf dem Programm.
"Die Kinder machen das insgesamt großartig. Sie sind mit großem Eifer dabei, hochmotiviert, super fleißig und bringen ganz viel Disziplin für diese vielen, vielen Proben auf", findet auch Domkantor Sperling, der mit der Chor-Auswahl für die Oper am Abend des vierten Adventssonntags an einer grandiosen Premiere beteiligt war und auch für die Mitwirkung seines Mädchenchors beim WDR-Konzert der Landesregierung eine Woche zuvor viel Lob geerntet hatte. "Wir beherzigen alle Coronaregeln, halten uns an alle Standards und führen regelmäßige Tests durch, um unsere Auftritte nicht zu gefährden." Denn natürlich gehe Sicherheit vor. Und schließlich gelte es, einen erneuten Lockdown für die Kinder zu verhindern. "Denn", betont Sperling, "Singen ist immer besser als nicht singen und macht uns alle doch so viel reicher – nicht nur zu Weihnachten."
Beatrice Tomasetti