Für den hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker ist Frankfurt am Main die "jüdischste Stadt" Deutschlands. Sie beherbergt auch eine der größten jüdischen Gemeinden. Und genau hier soll eine zentrale bundesweite Denkfabrik entstehen: die Jüdische Akademie. Planungen dazu gibt es schon länger - nun wurde gleich zu Beginn 2020 bekannt, dass die Baugenehmigung erteilt wurde. Damit sei der Zentralrat der Juden "der Verwirklichung seiner wegweisenden Bildungseinrichtung einen großen Schritt näher gekommen", erklärte dazu Harry Schnabel, Präsidiumsmitglied des Zentralrats und Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt.
Die Akademie soll nach seinen Worten "den Diskurs über jüdisches Leben und jüdische Kultur in die Bevölkerung hineintragen". Geplant seien Seminare, Konferenzen, Vorträge und Fortbildungen, die sich an Juden und Nichtjuden richten würden. Die vermittelten Inhalte "dienen der Aufklärung, die nach Überzeugung des Zentralrats der Juden auch eine präventive Wirkung gegen zunehmenden Antisemitismus haben wird".
Ein geeigneter Standort
Der Christdemokrat Becker, der auch Frankfurter Bürgermeister und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, sieht in der geplanten Akademie ein Pendant zu den Katholischen und Evangelischen Akademien. Es gehe um eine jüdische Sichtweise auf die Gesellschaft, auch in einer Zeit eines zunehmenden Antisemitismus, sagte Becker und verwies zugleich auf die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Auch dieses 1979 gegründete Projekt trägt der Zentralrat.
In Frankfurt nun also die geplante Akademie in der Senckenberganlage, was für eine "notwendige Sichtbarkeit" sorge, betont Becker. "Das ist ein sehr exponierter Standort." Es soll ein Neubau unter Einbeziehung eines bestehenden Gebäudes werden. Schnabel vom Zentralrat nennt den Spätsommer als möglichen Beginn der Bauarbeiten: "Wenn die Stadt Frankfurt, das Land Hessen und das Bundesinnenministerium als Zuwendungsgeber bei ihrem für Ende Januar anberaumten Koordinierungsgespräch grünes Licht geben, kann alsbald mit der Ausschreibung der Gewerke begonnen werden. Bei planmäßigem Verlauf könnten die Bauarbeiten im Spätsommer aufgenommen werden."
Frankfurt sei nicht nur wegen der langen jüdischen Tradition ein geeigneter Standort, sagt Becker. Die Stadt habe immer wieder eine große Rolle für den gesellschaftlichen Diskurs gespielt, etwa durch die Denkrichtung der Frankfurter Schule. Auch sei die Stadt ein Ort des interkulturellen und interreligiösen Austausches. Seinen Worten zufolge wird es an der neuen Jüdischen Akademie unter anderem um die Entwicklung der Erinnerungskultur und die Rolle jüdischen Lebens in Deutschland gehen. Die Kosten für die Akademie seien Ende 2018 auf etwa 21 Millionen Euro geschätzt worden.
"Neues Forum für den gesellschaftlichen Diskurs"
Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht in der Akademie ein "neues Forum für den gesellschaftlichen Diskurs, in den sich die jüdische Seite einbringt". Es sei "höchste Zeit" für eine solche Einrichtung, die sich wichtigen gesellschaftspolitischen und theologischen Fragen widmen und reichlich Wissen über das Judentum weitergeben werde - und damit auch Aufklärung im Kampf gegen Antisemitismus betreibe. Nicht zuletzt könnten sich in dem Haus auch Lehrer fortbilden lassen.
Die Idee zu einer Jüdischen Akademie entstand bereits vor einer Weile: 2013 hatte der Zentralrat bekanntgegeben, dass er eine neue Bildungsabteilung starte, die die Grundlage für eine Jüdische Akademie bilden werde. Seinerzeit zeigte sich der damalige Zentralratspräsident Dieter Graumann "sehr glücklich" über die neue "Bildungsoffensive".
Die Jüdische Akademie ist nicht der einzige "Thinktank", an dem der Zentralrat beteiligt ist. So nahm im Frühjahr des vergangenen Jahres eine neue jüdisch-muslimische Arbeitsgruppe in Berlin ihre Tätigkeit auf. "Karov-Qareeb" zum Ausbau des jüdisch-muslimischen Dialogs ist ein Projekt des jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) und des muslimischen Begabtenförderungswerks Avicenna. Nach damaligen Angaben ist auch der Zentralrat an der Finanzierung beteiligt.