Im Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" unterstreichen beide den positiven Einfluss religiöser Überzeugungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben. Unterschiede gibt es bei Van der Bellen, der sich selbst als Agnostiker bezeichnet, und dem vom Katholizismus zur evangelischen Kirche übergetretenen Hofer in Bezug auf ihren persönlichen Glauben.
Er habe als Jugendlicher "den Glauben an diesen einen persönlichen Gott verloren", sagte Van der Bellen. Zugleich habe er aber "größten Respekt vor der Botschaft des Neuen Testaments, der Bergpredigt, wenn Sie so wollen, was Christlichkeit ausmacht". Religiosität sei "etwas sehr Schönes, wenn man es für sich hat", und habe in schwierigen Lebenssituationen etwas Tröstliches, so der frühere Grünen-Chef.
Thema Religion strategisch eingesetzt?
Hofer bezeichnete Religion als "Leuchtturm" für die Menschen. "Unsere Gesellschaft würde nicht funktionieren, wenn es Religionen nicht geben würde", so der FPÖ-Kandidat. In seinem persönlichen Glauben sei Dankbarkeit "ein ganz großer Wert", ebenso das Verzeihen. Letzteres sei "besonders nach einem Wahlkampf wichtig". Zudem achte er auf ein reines Gewissen. Es gelte jeden Tag so zu gestalten, "dass man am Abend sagen kann: Es war in Ordnung." Das gelinge nicht immer.
Der Wiener Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik sagte der Zeitung, beide Kandidaten setzten das Thema Religion strategisch ein, um gewisse Zielgruppen anzusprechen. Es gehe bei der für 4. Dezember angesetzten Stichwahl vor allem um Stimmen aus einem traditionell katholisch-konservativen Milieu. Diese könnten die Wahl am Ende entscheiden. Da die Katholiken in Österreich "keine homogene Gruppe" seien, gebe es es derzeit "einen offenen Kampf darüber, wer die Mehrheit aus diesem Lager an sich zieht".