Abdo Raad klingt müde am Telefon. Der melkitische griechisch-katholische Priester ist erschöpft von den Anstrengungen in den vergangenen Tagen nach der verheerenden Explosion in Beirut. Derzeit ist der Libanese dabei, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um mit seinen Ehrenamtlichen im Chaos Hilfe zum Überleben zu organisieren. "Es sind viele Freiwillige in Beirut unterwegs, um Elektrizität wieder herzustellen, um Wasser und Nahrung zu bringen", erzählt der 55-Jährige. Vor allem für die Verletzten, die Schlange stehen müssten vor den Krankenhäusern, die nicht völlig zerstört oder mit Corona-Patienten belegt seien.
Verheerende Vernichtung
Durch die Detonation am Hafen starben den Angaben zufolge mindestens 145 Menschen, mehr als 5.000 wurden verletzt. Weil die Druckwelle zahlreiche Häuser zerstörte, wurden etwa 300.000 Einwohner obdachlos. Noch unklar ist, wie viele Menschen ihren Arbeitsplatz am Hafen - "Umschlagplatz für den Warenaustausch zwischen dem Orient und Okzident" - verloren haben. Fest steht, dass auch ein Großteil der libanesischen Getreidevorräte vernichtet ist.
Zur Corona-Krise kommt die Katastrophe
Über 3.500 Kilometer entfernt macht sich derweil in Stegaurach bei Bamberg Pfarrer Walter Ries Sorgen um seinen Freund Raad und dessen Heimat: "Der Hafen liegt in Trümmern, direkt ein Symbol für den gegenwärtigen Zustand des ganzen Landes." Seit ihrer Studienzeit in Rom sind die beiden eng befreundet. Zuletzt hatte Ries ihn im Februar dieses Jahres besucht. Nun liefert ihm Raad aktuelle Informationen, Videos, Fotos aus Beirut: "Erschütternd, als ob die gegenwärtige Wirtschafts- und Corona-Krise nicht schon schlimm genug wären! Jetzt kommt diese Katastrophe auch noch hinzu!"
Jede Spende hilft
Auch Ries blieb nicht untätig. 4.500 Euro an Spenden der Stegauracher hat er als Soforthilfe an Raads schon längerer bestehenden Verein "Annas Linnas" überwiesen, um Menschen in Not zu unterstützen. Der fränkische Seelsorger weiß, dass mit dieser Summe nicht die verwüsteten Häuser aufgebaut werden können. Doch ließen sich Lebensmittel, Benzin, Telefonkarten bezahlen. Für den Libanesen ist diese Hilfsbereitschaft der Stegauracher ein wertvolles Zeichen der Solidarität: "Hoffnung geben ist so wichtig wie Essen!" Über das rein Materielle hinaus bittet Raad um das Gebet für sein Land, "das noch nie so viel Leid erfahren hat wie in diesem Jahr".
Menschen in Not helfen
Auch Bambergs Erzbischof Ludwig Schick hat die Katastrophe im Libanon, einem Land, das er gut kennt, erschüttert. Er bittet ums Gebet, aber auch um konkrete Unterstützung. "Wenn Menschen in Not sind, müssen wir helfen, dazu kann jeder und jede durch Spenden, Kollekten beitragen." Das Erzbistum ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und hat 50.000 Euro für die Caritas Libanon zur Verfügung gestellt.
Forderung nach Unterstützung
Als Vorsitzender der Kommission Weltkirche fordert Schick zudem die internationale Staatengemeinschaft auf, dazu beitragen, den Libanon - "das Herz des Nahen Ostens" - politisch zu stabilisieren. Wenn das nicht geschehe, "wird es gefährlich für die ganze Region". Außerdem unterstütze er die bereits laut gewordenen Forderungen nach einer Klärung der Katastrophe. Dies solle nicht nur innerlibanesisch, sondern durch eine internationale Expertenkommission geschehen, "um einen Wall gegen Gerüchte zu bauen". Denn noch sei offen, "ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelt".
Beunruhigt zeigt sich der Erzbischof auch über die Lage der rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Palästina im kleinen Libanon. Schon vor der Explosion sei deren Lage mehr als prekär gewesen: "Jetzt wird die Hilfe für sie noch spärlicher."
Gebet für die Menschen im Libanon
An diesem Sonntag wird im Gottesdienst in Stegaurach für die fernen und doch so nahen Freunde im Libanon gebetet. Einen Spendenaufruf soll es ebenfalls geben. Sicher nicht vergeblich. Denn die fränkische Gemeinde öffnet schon seit etwa zehn Jahren ihre Geldbeutel und Herzen für den Zedernstaat und hat mit ihren Spenden zum Beispiel die Existenz einer Privatschule für 350 Flüchtlingskinder in Nameeh bei Beirut gesichert.