DOMRADIO.DE: Wie ist die Reaktion der Kirche in Hongkong?
Katharina Wenzel-Teuber (Chinazentrum der Steyler Missionare): Man kann von unterschiedlichen Reaktionen sprechen. Denn wie auch bei uns in Deutschland sind natürlich nicht alle Katholiken immer einer Meinung - auch in Hongkong nicht.
Die Diözese hat aber immer wieder zum Gebet aufgerufen und es gab auch zum Beispiel Mitte Juli einen gemeinsamen Appell des Vorsitzenden des evangelischen Christenrats und des derzeitigen katholischen Administrators Kardinal Tong. Sie haben dazu aufgerufen, dass dieses umstrittene Gesetz zurückgezogen wird und dass eine unabhängige Kommission die gewaltsamen Vorfälle untersucht.
Es gibt auch immer wieder Gebetsumzüge zum Gerichtshof, wo die Mitlaufenden um Frieden in Hongkong bitten. Oder am vorletzten Sonntag haben 44 Kirchen in Hongkong zum Gebet geläutet. Da ging es auch um eine friedliche und gerechte Lösung für diese Unruhen.
DOMRADIO.DE: Welchen Einfluss hat die Kirche in Hongkong?
Wenzel-Teuber: Zahlenmäßig ist die katholische Kirche nicht sehr groß. Sie machen so etwa 50 Prozent aus, Protestanten sind ein bisschen mehr. Das sind aber Minderheiten. Allerdings haben die Christen, dadurch, dass sie traditionell viele Schulen und auch viele Sozialeinrichtungen leiten, gesellschaftlich einen überproportionalen Einfluss.
Es gibt viele Leute, die zwar keine Christen sind, aber eben in christlichen Schulen ausgebildet werden. Auch in der Hongkonger Führung gibt es viele Christen - beispielsweise ist auch die Regierungschefin Carrie Lam eine Katholikin.
DOMRADIO.DE: Das heißt auch, der gesellschaftliche Einfluss ist durchaus groß. Kirchen unterhalten Schulen und Krankenhäuser. Das ist dann eben auch schon eine bedeutende Rolle, die da die Kirchen spielen?
Wenzel-Teuber: Das ist richtig.
DOMRADIO.DE: Sie sind dort sehr engagiert. Wie spiegelt sich das wider?
Wenzel-Teuber: Zunächst ist es einfach eine sehr lebendige Kirche. Und paradoxerweise sind auch die Zahlen der Katholiken seit 1996 - praktisch ab der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China - um ein Viertel gestiegen.
Es gibt etwa 3.000 Erwachsenentaufen pro Jahr. Viele Laien - auch, die wir so kennen - sind in den Gemeinden auch nach der Arbeit sehr engagiert. Viele gehen sogar früher in den Ruhestand, um in den Gemeinden ehrenamtlich tätig zu sein. Das ist einfach sehr viel Glaubensüberzeugung.
DOMRADIO.DE: Was sich dann auch nach außen zeigt. Wie wichtig ist es für Hongkong, dass es so liberal bleibt?
Wenzel-Teuber: Das ist vielen Leuten sehr wichtig. Das hat man auch daran gesehen, dass vor allem am Anfang gegen das Auslieferungs-Gesetz etwa ein Viertel der Bevölkerung auf die Straße gegangen ist - Katholiken eingeschlossen. Ich denke, das ist für die Gesellschaft und für die Kirche insgesamt sehr wichtig.
Denn die Hongkonger Kirche versteht sich auch als Brückenkirche zum Festland. Die Kirche in Hongkong ist - ähnlich wie die Kirchen in Europa - frei, auch mit der Weltkirche und mit Rom mit dem Vatikan mit dem Papst, Kontakte zu haben und sich auszutauschen. Das ist ja bei der Kirche in Festlandchina nicht der Fall. Und Hongkong kann da eine wichtige Rolle spielen und tut es auch.
DOMRADIO.DE: Die Protestaktionen werden weitergehen. Werden sich auch die Christen weiterhin zeigen? So wie bislang auch.
Wenzel-Teuber: Ich denke sicher, dass auch weiterhin Christen dabei sein werden - vor allem unter der Jugend. Im Moment hat es sich ja so entwickelt, dass diejenigen, die jetzt auch weiter zu einem hohen Prozentsatz demonstrieren, Jugendliche, Schüler und Studenten sind. Darunter sind auch viele Katholiken. Es gibt etwa einen Hongkonger katholischen Studentenverband. Die engagieren sich weiter.
Das Interview führte Carsten Döpp.