Hunger und politische Krisen führen zu extremer Not in Somalia

"Eine neue Katastrophe abwenden"

Dürre, das Klimaphänomen El Nino und politische Konflikte prägen die Länder Ostafrikas. In Somalia sind bereits Menschen verhungert, hunderttausende sind mangelernährt. Die Farmer haben kaum noch eine Lebensgrundlage.

Autor/in:
Paula Konersmann
Eine Farmerin im Nordosten Somalias / © Anna Mayumi Kerber (dpa)
Eine Farmerin im Nordosten Somalias / © Anna Mayumi Kerber ( dpa )

Ernten sind zerstört, Wasser gibt es kaum. Auf den Straßen liegen Tierkadaver. Rund 15 Millionen Menschen am Horn von Afrika leiden an einer schweren Hungerkrise. Die seit zwei Jahren andauernde Dürre ist nach Einschätzung der Hilfsorganisation Care schlimmer als die vor sechs Jahren. 2011 verhungerten allein im ostafrikanischen Somalia etwa 260.000 Menschen. Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen sind sich einig: Momentan droht eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes - und die gilt es abzuwenden.

Bis zu 90 Prozent des Viehs sind im Norden Somalias verendet, berichtet Care-Mitarbeiterin Ninja Taprogge in Bonn, die mehrere Wochen am Ort war. Für die verbleibenden Bestände sind die Preise derart gesunken, dass sich der Verkauf für die Farmer nicht mehr lohnt. Hinzu kommt extremer Wassermangel. In Notsituationen kalkulieren Helfer mit 7,5 Litern Wasser täglich für eine Familie. In Somalia stehen einer Familie derzeit 3 Liter pro Tag zur Verfügung. Zum Vergleich: In Deutschland verbraucht eine Einzelperson an einem durchschnittlichen Tag 127 Liter Wasser.

Viele Somalier fliehen nach Kenia

Die Auswirkungen sind auch für das Sozialleben dramatisch. Frauen und Mädchen müssen bis zu 50 Kilometer weit laufen, um Wasser zu holen. Kinder helfen mit, statt zur Schule zu gehen. Zudem sind viele somalische Familien von der Landwirtschaft abhängig. Ohne Vieh stehen sie vor dem Nichts, wie Taprogge sagt.

Seit 30 Jahren herrscht Bürgerkrieg in Somalia. "Wenn dazu eine Ressourcenknappheit kommt, verschärft sich die Situation schnell", warnt die Expertin unter Verweis auf den Südsudan, wo genau das bereits geschieht. Seit Wochen flüchten auch aus Somalia wieder mehr Menschen. Viele wollen nach Dadaab. Das größte Flüchtlingslager der Welt im Osten Kenias besteht seit 25 Jahren; 95 Prozent der Bewohner sind Somalier. Doch auch sie lebten in Angst, so Taprogge. Denn bis Ende Mai will die kenianische Regierung das Camp schließen.

Erste Fälle von Cholera in Somalia

Rückführungsprogramme laufen ungeachtet der Lage in Somalia weiter. Im Februar setzte Kenias Oberster Gerichtshof die Schließung des Lagers aus. Die Regierung in Nairobi habe ihre Befugnisse überschritten, so die Richter. Eine Reaktion der Regierung steht bislang aus. Im Dezember wurden zudem die Nahrungsmittelrationen in Dadaab um die Hälfte gekürzt. Hilfsorganisationen und Menschenrechtler dringen darauf, dass das Lager weiterbestehen müsse, so lange Somalia ein so unsicheres Land sei. Taprogge betont, es werde allein logistisch unmöglich sein, das Camp bis Ende Mai zu schließen. "Die Menschen brauchen eine Perspektive."

In Somalia gibt es die derzeit nicht: In den vergangenen Tagen sind dort die ersten Menschen verhungert. Rund 185.000 somalische Kinder sind laut Care akut mangelernährt, es gibt erste Fälle von Cholera. In dieser Situation könne schon Durchfall zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden, warnt die Kindernothilfe. "Der Hunger schwächt die Körper von Kindern enorm, und sie haben keine Kraft mehr, gegen einfache Krankheiten anzukämpfen", erklärt die Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann. Zudem litten Kinder, die in den ersten Lebensjahren unterernährt seien, oftmals ihr Leben lang unter körperlichen und geistigen Folgen.

Hilferuf der Helfer

Die Helfer befürchten in den kommenden Monaten eine Verschärfung der Lage - wegen der Trockenzeit. Bei der Hungersnot 2011 seien zwischen Mai und September die meisten Menschen verhungert, sagt Care-Mitarbeiterin Taprogge. Und: "Selbst wenn es heute anfangen würde zu regnen, würde es zwei Jahre dauern, bis die Farmer in Somalia wieder auf eigenen Beinen stehen könnten."

Laut einem Spendenaufruf der Vereinten Nationen werden 24 Millionen US-Dollar für die Soforthilfe in Somalia benötigt. Davon sind bislang 0,4 Prozent finanziert. Derzeit gebe es viele Krisen weltweit, sagt Taprogge. Das mache es schwieriger, die Aufmerksamkeit auf ein gebeuteltes Land wie Somalia zu lenken. Bei der letzten großen Hungersnot gingen Bilder von sterbenden somalischen Kindern um die Welt. Darauf dürfe die internationale Gemeinschaft diesmal nicht warten, mahnt Taprogge. "Dann ist es zu spät."


Quelle:
KNA