Europäischer Freiwilligendienst in Zeiten von Corona

"Ich brenne nach wie vor für die Idee Europas"

Am Samstag ist Europatag, doch der Kontinent steckt durch die Corona-Pandemie in einer tiefen Krise. Auch die Mitarbeiter des Europäischen Freiwilligendienstes haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Wie setzt man sich da für die Idee Europas ein?

Mund- und Nasenschutzmasken mit dem Symbol der EU / © Harald Tittel (dpa)
Mund- und Nasenschutzmasken mit dem Symbol der EU / © Harald Tittel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ihr neues Programm ist ein europäisches Solidaritätskorps. Was bieten Sie da an?

Silke Dust (Fachsbereichsleitung Europäischer Freiwilligendienst, Jugendakademie Walberberg): Das europäische Solidaritätskorps ist erst einmal nicht nur ein Programm der Jungen Akademie Walberberg, sondern ein EU-weites Programm, wo es darum geht, internationale Jugendliche zu entsenden und in unterschiedlichen Ländern Europas aufzunehmen. Es gibt auch Solidaritätsprojekte, die lokal in den Kommunen durchgeführt werden können. Zum Beispiel Projekte mit Geflüchteten von Jugendlichen für Jugendliche. Und es gibt auch die Schiene "Jobs und Praktika", die Jugendlichen Job-Perspektiven in Europa geben soll.

DOMRADIO.DE: Für zwei Jahre gab es jetzt das Projekt "Europa für alle". Was hat es damit auf sich?

Dust: Unser Ziel in dem Projekt war es, dass wir vor allen Dingen die Jugendlichen ansprechen, die bisher kaum in den internationalen Freiwilligendiensten vertreten sind. Das können Jugendliche aus schwierigen sozialen Hintergründen sein. Das können geflüchtete Jugendliche sein. Das können Jugendliche mit Kriminalitätsgeschichte sein. Und die haben wir versucht, in den internationalen Freiwilligendienst zu integrieren und ihnen passende Jugendmobilitätsprojekte anzubieten. Das waren zum Teil Kurzzeitfreiwilligendienste, das waren aber auch einige Langzeitprojekte, und das wurde wissenschaftlich von der TH Köln begleitet.

DOMRADIO.DE: Was ist dabei herausgekommen? Was muss jetzt passieren, wenn es nach Ihnen geht?

Dust: Es ist auf jeden Fall so, dass insbesondere diese Kurzzeitformate, zweiwöchige Formate in Teams für diese Zielgruppe sehr interessant waren. Die sind aber für die Träger häufig sehr aufwendig, und es muss unseres Erachtens einen Paradigmenwechsel geben, dass man eben nicht jedes Projekt einzeln beantragt. Sondern dass es für erfahrene Träger wie uns möglich ist, einmal im Jahr oder alle zwei Jahre einen großen Antrag zu stellen, Geld für solche Projekte zur Verfügung zu bekommen und dann auch einen jährlichen Mittelabruf zu machen, um solche Projekte dann auch gut durchführen zu können. Und nicht immer einteilen zu müssen, was für ein Jugendlicher braucht welchen Förderbedarf, sondern einfach auch das Geld zur Verfügung zu haben und dann passgenau Projekte zu finden.

DOMRADIO.DE: Die jungen Menschen, die sich durch Ihr Angebot alleine oder in einer Gruppe in einem anderen Land engagieren, einen internationalen Freiwilligendienst absolvieren, lernen einerseits viel und kommen vielleicht "erwachsener" wieder. Aber es bedeutet noch mehr: Am Samstag ist Europatag. Tragen die Freiwilligendienstleistenden zur Idee "Europa" bei?

Dust: Auf jeden Fall. Wir haben einige junge Geflüchtete entsendet, und gerade für die ist dieses Thema Europa, europäische Bürger*innenschafft ein ganz neues Thema. Und die waren gerade sehr motiviert, sich weiterhin in europäischen Programmen einzusetzen, aber sich auch wirklich für die Idee Europas einzusetzen. Sie haben weiterhin Peer-Workshops gemacht, um diese Idee auch in ihre sozialen Kreise zu tragen. Es gibt jetzt ein internationales Jugendnetzwerk, was daraus entstanden ist, wo diese Idee Europas auch weiterlebt. Und das finde ich erst mal eine tolle Erfahrung.

DOMRADIO.DE: Die aktuelle Lage aufgrund der Coronavirus-Pandemie lässt nicht viel Austausch und Begegnung zu. Reisen sind auch nicht möglich. Es gibt drei Freiwillige, die genau in dieser Zeit gerade hier in Deutschland sind. Können sie ihr Jahr fortsetzen?

Dust: Die sind alle drei in der Lage, bis Ende des Jahres hier in Deutschland zu bleiben. Die haben die Krise natürlich sehr intensiv erlebt, wurden intensiv begleitet, sind aber dann auf digitale Projekte umgestiegen. Sie sind alle drei in der internationalen und deutschen Jugendarbeit tätig und haben digitale Projekte mit ihren Organisationen gemacht und werden auch bis Ende des Jahres den Dienst durchführen.

DOMRADIO.DE: Auch in diesem Jahr hatten junge Menschen vor, für einen solchen Freiwilligendienst ins Ausland zu gehen. Sie haben sich lange darauf gefreut und vorbereitet. Was raten Sie denen?

Dust: Ich würde sagen, da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wir hoffen tatsächlich, dass es im Spätherbst wieder losgehen kann. Wir haben alle Projekte für den Sommer international abgesagt, weil da natürlich gerade in den Ländern, mit denen wir zusammenarbeiten - Italien, Schottland, Bulgarien - immer noch Ein- und Ausreisestopps gelten. Deswegen ist da keine Perspektive. Aber wir hoffen wirklich sehr, dass es ab November wieder losgehen kann.

DOMRADIO.DE: Am 9. Mai ist Europatag. Wie wichtig ist Europa heute und für den Frieden?

Dust: Ich finde, Europa ist ein Friedensprojekt. Klar ist es auch ein Wirtschaftsraum. Aber für mich ist die Idee Europas tatsächlich ein genuines Friedensprojekt gewesen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und ich glaube, dass es nach wie vor Europa braucht, um den Frieden in Europa und auch in der Welt zu stabilisieren. Ich brenne nach wie vor auch für die Idee Europas.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR