Früherer ZdK-Präsident zweifelt an Ratzingers Führungsqualität

"Ihm fehlte der Wille und die Kraft, sich durchzusetzen"

Als Kollegen hatten sie sich kennengelernt. Und der ehemalige ZdK-Präsident Hans Maier schätzt die Predigten und sprachliche Begabung von Joseph Ratzinger bis heute. Allerdings spricht Maier dem emeritierten Papst Führungsqualitäten ab.

Papst em. Benedikt XVI. (Archiv) / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Papst em. Benedikt XVI. (Archiv) / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

"Ich hatte ihn 1963 noch als Kollegen kennengelernt und für seine Predigten, seine rednerische Begabung und für die Art seiner Veröffentlichungen bewundert - bis heute gilt das noch", sagte der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und bayerische Kultusminister Hans Maier in einem Interview der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag) über den emeritierten Papst Benedikt XVI.

Aber der Funktion des Regenten, ob als Bischof, Kardinal oder Papst, sei Ratzinger "nicht gewachsen" gewesen, so der 88-Jährige weiter. "Ihm fehlte der Wille und die Kraft, sich durchzusetzen. Deshalb trat er dann auch zurück."

Bruch zwischen den beiden

Zum Bruch zwischen ihm und Ratzinger sei es 1997 über den Streit zum Ausstieg der Kirche in Deutschland aus der Schwangerschaftskonfliktberatung gekommen, so Maier. Er habe sich an einer von ihm als inkonsequent empfundenen Haltung des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation gestört.

Die katholische Kirche habe stets mit Nachdruck den Schwangerschaftsabbruch abgelehnt. "Aber in fast allen Ländern der Welt gab es damals schon die Fristenlösung", wonach Kinder bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats abgetrieben werden können. Nur in Deutschland hätten Bundesverfassungsgericht und Bundestag dieser Fristenlösung eine Hürde vorangestellt, die Vorschrift einer pflichtmäßigen Schwangerschaftskonfliktberatung.

Schriftlicher Kontakt

"Ich hatte also Kardinal Ratzinger die Frage gestellt, warum sich die ganze Kritik Roms ausgerechnet gegen Deutschland richtet, das der Fristenlösung doch als einziges Land noch einen Riegel vorgeschoben hatte? Es kann doch nicht sein, warf ich ihm vor, dass er sich bei der bedingungslosen Fristenlösung in katholischen Kernländern still verhält und hier den Versuch, Leben zu erhalten, torpediert." Ratzinger habe ihm darauf geantwortet: "In diese Länder sind wir nicht involviert" - weil es dort keine kirchlichen Beratungsstellen gegeben habe.

"Darüber war ich sehr empört und sagte zu ihm: 'Das ist die Antwort des Pontius Pilatus.'" Dieser Satz habe Ratzinger getroffen, "er war darüber sehr aufgebracht", fasste Maier zusammen. "Seither ist unser Verhältnis gestört, seit zwei Jahren verkehren wir aber wenigstens wieder schriftlich miteinander."

Der Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung veranlasste Maier und andere prominente Katholiken 1999 zur Gründung des Vereins Donum Vitae (Geschenk des Lebens).

Kritik an Kommunikation in der katholischen Kirche

Des Weiteren sieht Maier Defizite in der Kommunikation zwischen Vatikan und den Ortskirchen. Konkret beklagte der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), dass die Führung der Kirche in Rom oft nur ein einseitiges Bild von der Lage vor Ort erhalte. "Nur die, die etwas kritisieren wollen an der Kirchenpraxis in ihrem Land, schreiben Klagebriefe an den Vatikan."

Weiter sagte Maier: "Das geschieht oft hinterrücks, ohne dass die Betreffenden, über die Beschwerde geführt wird, irgendetwas davon erfahren." Unter dem Strich bündelten sich im Vatikan "immer nur die Stimmen der innerkirchlichen Opposition gegen die Reformer - das verzerrt die Perspektiven: eine Minderheitenmeinung bekommt dadurch ein viel zu großes Gewicht".

Befragt nach Alternativen, antwortete der langjährige bayerische Kultusminister und CSU-Politiker: "Es müsste genauso ablaufen wie in einem gesunden Föderalismus: Wenn in Rom Petitionen eintreffen, sollten sie zunächst wieder zurück an die zuständigen Ortsbischöfe verwiesen werden. Sie haben das Recht auf ein erstes Urteil." Papst Pius XII. (1939-1958) habe das noch so gehandhabt. "Er schrieb Bischöfen, die sich nach Rom wandten, oftmals: 'Non datur. Episcopi est.' - Keine Weisung. Das ist Sache des Bischofs. Darin war er demokratischer als manche seiner Nachfolger."


Hans Maier, langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken  (KNA)
Hans Maier, langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ( KNA )
Quelle:
KNA
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