DOMRADIO.DE: Was sagt denn die Bibel zum Glücksspiel? War das überhaupt Thema zu Zeiten Jesu?
Dr. Gunther Fleischer (Leiter der Bibel und Liturgieschule im Erzbistum Köln): Also, ein wirkliches Thema war das nicht. Aber praktiziert wurde es sicherlich. Zumindest kennen wir die Formulierung, dass im Rahmen des Prozesses Jesu um das Gewand gewürfelt wird. Die Soldaten wollen an dieses durchgewebte Kleid Jesu kommen. Das wird insoweit belegt, als man in Jerusalem Römerstraßen ausgegraben hat, wo der Kreuzweg entlang gegangen sein soll, und auf einem Platz sind tatsächlich Spielmuster im Stein eingraviert, so eine Art Mühlespiel. Zumindest kann man sagen, es wurde damals gespielt, möglicherweise auch Glücksspiel betrieben.
DOMRADIO.DE: Glücksspiel beinhaltet, so sagt man, oft eine Suchtgefahr. Und Sucht ist ein Dämon, oder?
Fleischer: Ja, das würde ich schon sagen, dass Sucht so etwas wie ein Dämon sein kann. In der Heiligen Schrift werden im Grunde zwei Dinge unterschieden: Krankheiten werden sehr oft als Strafe Gottes gesehen, dann aber sozusagen für moralische Vergehen.
Besessenheit aber hat mit Moral nichts zu tun, sondern da geht es darum: Ich bin nicht mehr Herr meiner eigenen Kräfte und dessen, was ich tue. Ich bin irgendwie fremdgesteuert. Es gibt etwas, was stärker ist in mir als ich selbst. Und da würde ich die Süchte einordnen.
DOMRADIO.DE: Ist mit dem Dämon nicht eher ein psychisches Problem gemeint?
Fleischer: Ja, aber die Frage ist, ob die Sucht nicht auch ein psychisches Problem ist. Ich denke, das trifft es schon. Es ist ja längst nicht alles. Es gibt sicherlich auch andere psychische Phänomene, die man der Besessenheit zuordnen könnte. Aber ich würde mal sagen, Sucht wäre am ehesten darunter zu fassen. Es geht darum, dass die Sucht mich beherrscht, nicht ich beherrsche das, was ich treibe.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja Bibelstellen, in denen es um Gott oder den Mammon geht. Ist das vergleichbar mit der Entscheidung auch das Online-Glücksspiel legalisieren zu wollen?
Fleischer: Man muss das ein bisschen differenzieren. Die Bibel ist nicht generell gegen das Spiel - dazu finden wir nichts. Sie ist auch nicht generell gegen das Geld. Sie ist nicht generell gegen das Vergnügen, sondern sie äußert sich dann, teilweise jedenfalls, wenn diese Dinge einen Absolutheitswert bekommen. Das Stichwort "Mammon" ist im Grunde so etwas wie die Vergötterung des Geldes.
Das heißt, der Besitzer, das Geld und der Reichtum bekommen einen solchen Wert, dass alle anderen Werte - wie Mitmenschlichkeit oder auch Gottesverehrung - dahinter völlig zurücktreten. Und in dem Augenblick sagt die Heilige Schrift: Das ist nicht mit dem vereinbar, wie Gott sich den Menschen und das Zusammenleben der Menschen denkt.
DOMRADIO.DE: Findet sich denn auch eine Stelle in der Bibel, wo Jesus etwas zum Glücksspiel sagt?
Fleischer: Nein, das einzige Wort ist "Man kann nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen". Und wenn das Glücksspiel darauf aus ist, wirklich nur meinen Besitz zu vermehren, und ich für nichts anderes mehr einen Blick habe, dann würde ich sagen, kann man das Wort Jesu darauf anwenden.
DOMRADIO.DE: Wäre Jesus einverstanden damit, dass wir das Glücksspiel mit bestimmten Auflagen legalisieren? Wäre das im Einklang mit der Bibel?
Fleischer: Es ist ganz schwierig zu sagen, ob es im Einklang mit der Bibel ist oder nicht. Ich würde eher fragen: Was ist das Motiv des Staates, etwas zu legalisieren? Hat er wirklich ein Interesse an einer Reduzierung der Spielsucht? Ist es im Interesse der Menschen oder ist es im Interesse des Staates, über legalisiertes Gewinnspiel Gewinne abzuschöpfen? Dann unterliege es letztlich wieder der kritischen Frage: Wird da nicht der Mammon verehrt?
Das Gespräch führte Dagmar Peters.