Besonders bei den älteren Bürgern von 70 bis 74 Jahren lässt sich eine immer größere Bereitschaft zur freiwilligen Arbeit fürs Allgemeinwohl ablesen. Laut dem Engagementbericht hatten im Jahr 2000 gerade mal 16 Prozent in dieser Altersgruppe ein Ehrenamt inne, so sind es jetzt 27 Prozent. Warum das so ist weiß Wolfgang Schmitz, Mitorganisator der Flüchtlingsinitiative "Willkommen in Brück".
domradio.de: Herr Schmitz - Sie sind von Anfang der Flüchtlingskrise an in der lokalen Flüchtlingshilfe mit dabei. Warum haben Sie gesagt: Ja, das will ich machen?
Wolfgang Schmitz (Mitorganisator der Flüchtlingsinitiative "Willkommen in Brück"): Auf der einen Seite hat man ein bisschen mehr Zeit. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Als das losging 2015 mit unserer Initiative, da wurde das Thema gesellschaftlich sehr, sehr intensiv diskutiert. Wenn man sich da engagiert, dann hat man nicht das Gefühl etwas Sinnloses zu tun. Helfen zu wollen lag mir nahe und liegt auch vielen anderen nahe. Ich habe gar nicht so richtig lange darüber nachgedacht.
domradio.de: Sie machen das ja nicht allein. Können Sie bestätigen, dass tatsächlich viele aus der Generation 70plus dabei sind?
Schmitz: Es sind natürlich eine ganze Menge, die ihre beruflichen Jahre hinter sich haben. Das fängt heutzutage dann mit 66 oder 67 Jahren an. Das kann ich bestätigen. Die sind auch das Rückgrat der Initiative.
domradio.de: Was ist Ihre Erfahrung: Was können solche lebenserfahrenen Leute einbringen in ein Ehrenamt?
Schmitz: Sie bringen natürlich viel Erfahrung mit. Sie bringen Geduld mit und Beharrlichkeit. Das ist ein Vorteil angesichts der oft sehr komplizierten Wege die gegangen werden müssen und den langen Wartezeiten die in Kauf genommen werden müssen. Beispiele sind die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder das es immer wieder um Statusfragen geht, also die Frage gibt es eine Anerkennung oder gibt es keine Anerkennung. Wohnungssuche, Sprachkurse – alles das ist nicht auf Zuruf zu haben, sondern setzt einfach ganz viel Geduld und Beharrlichkeit und einen langen Atem voraus. Ich denke da sind die Älteren ein Stück im Vorteil.
domradio.de: Haben Sie auch beobachtet, dass Flüchtlinge es toll finden, wenn ein älterer weiserer Mensch ihnen da zur Seite steht?
Schmitz: Es gibt einige die bei uns mitarbeiten, einige Frauen, die immer wieder erzählen, dass sie von den jüngeren Flüchtlingen Mama genannt werden, weil sie sich so intensiv kümmern. Die wissen das zu schätzen, dass die Älteren auch auf Zuruf zur Verfügung stehen. Das Zeitbudget spielt eine ganz wichtige Rolle. Sie kriegen oft sehr kurzfristig Termine beim Ausländeramt, beim Jobcenter und so weiter. Dann kommt der Anruf: Kannst du mich morgen dahin begleiten? Das können diejenigen, die beruflich gebunden sind – über acht oder zehn Stunden am Tag - nicht leisten. Das ist dann eher das Metier der Älteren.
domradio.de: Und was wiederum gibt den Älteren Ihr Engagement?
Schmitz: Man lernt neue Menschen kennen, guckt sehr intensiv in fremde Kulturen und Lebensläufe hinein, die es so bei uns nicht gibt. Das zweite ist sicherlich auch die Erfahrung helfen zu können – sich nützlich machen zu können nach der Berufsphase. Manche gehen ja auch aus dem Beruf raus und haben darauf gewartet nicht mehr arbeiten zu müssen, weil sie es nicht so furchtbar spannend fanden. Dann ist es schön etwas Sinnvolles zu tun. Man sieht nicht immer nur Erfolge sieht - das ist auch frustrierend - aber man weiß genau, ich etwas was nötig und wichtig ist für die betroffenen Menschen und die Gesellschaft.
domradio.de: Sind sie einverstanden damit, wenn man sagt es handelt sich um eine Win-Win-Situation: Die Älteren fühlen sich gebraucht, können Wissen und Weisheit weitergeben - und die Anderen freuen sich?
Schmitz: Ich sehe das als Win-Win-Situation und die Erfahrung nach gut zwei Jahren zeigt, das viele das so sehen - auch wenn es gelegentlich mühsam ist, weil man nicht immer Erfolg hat, mit dem was man anpackt.
domradio.de: Glauben Sie, das es auch ein gesellschaftliches Modell sein könnte, also das unsere Gesellschaft noch sehr viel mehr die Älteren mit einbeziehen sollte mit deren Können und Kompetenz?
Schmitz: Das die Zahl der Älteren – der über 70-Jährigen – im Laufe der letzten 15 Jahre zunimmt hat auch damit zu tun, das ältere Menschen länger gesund und tatkräftig sind. Ich glaube, dass wir in der Gesellschaft gut daran tun, das zu achten, zu respektieren und uns auf die Älteren zu verlassen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.