Immer mehr ukrainische Geflüchtete in Nachbarländern

Welchen Status bekommen sie?

Immer mehr Menschen aus der Ukraine flüchten in die umliegenden Länder. Wie wird mit ihnen umgegangen und welche Maßnahmen ergreifen die Länder? Die Hilfsbereitschaft sei groß, sagt Stefan Keßler vom Jesuitenflüchtlingsdienst.

Flüchtlinge sitzen auf einem Fahrzeug an der rumänisch-ukrainischen Grenze / © Alexandru Dobre/AP (dpa)
Flüchtlinge sitzen auf einem Fahrzeug an der rumänisch-ukrainischen Grenze / © Alexandru Dobre/AP ( dpa )
Stefan Keßler / © Kirchenzeitung
Stefan Keßler / © Kirchenzeitung

DOMRADIO.DE: Mit bis zu vier Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine rechnen die Vereinten Nationen. Bis jetzt sind wohl schon über eine halbe Million Menschen aus der Ukraine in umliegende Länder geflüchtet, darunter Polen, Ungarn, Rumänien, die Slowakei und auch Russland. Was hören Sie? Wie wird mit diesen Menschen aktuell umgegangen? Wie wird ihnen geholfen?

Stefan Keßler (stellvertretender Direktor des Jesuitenflüchtlingsdienstes in Deutschland): Das ist sehr unterschiedlich. Wir hören überall von einer großen Hilfsbereitschaft, gerade auch von der jeweiligen Bevölkerung. Gerade bei Polen ist es besonders nachvollziehbar, weil ja zum Teil die Menschen aus der Ukraine die Vettern und Cousinen der Menschen in Polen sind. Wir hoffen, dass die Europäische Union am kommenden Donnerstag beschließen wird, einen Mechanismus in Gang zu setzen, der den Menschen aus der Ukraine einen Status zum vorübergehenden Schutz ermöglichen würde. Das würde viele Fragen und viele Probleme zumindest zeitweise erst einmal lösen.

DOMRADIO.DE: Es gibt noch offen offene rechtliche Fragen. Wie werden diese Fragen dann geklärt? Welche Fragen sind das konkret?

Keßler: Es ist jetzt erst mal die große Unsicherheit, welchen Aufenthaltsstatus die Menschen aus der Ukraine denn in der Europäischen Union bekommen werden. Im Augenblick haben sie keinen anderen Status als Touristen. Das hätte natürlich zur Folge, dass die Menschen zum Beispiel nicht arbeiten dürfen. Wenn sie einen Status als vorübergehend Geschützte bekommen, dann haben sie das Recht, auch erst mal zu bleiben, bekommen eine Aufenthaltserlaubnis und haben das Recht, sich eine Arbeit zu suchen und zu arbeiten. Das wäre eine große Hilfe für die Integration in die jeweilige Aufnahmegesellschaft.

DOMRADIO.DE: Entscheidet das am Ende die EU, dass Menschen aus der Ukraine Flüchtlinge sind und als diese anerkannt werden? Wie funktioniert da der Mechanismus?

Keßler: Es würde jetzt nicht eine Anerkennung als Flüchtling bedeuten, sondern es wäre ein eigener Status. Es gibt seit 2001 eine europäische Richtlinie zum vorübergehenden Schutz. Die ist bisher nie angewandt worden. Das wäre also jetzt das erste Mal. Diese Richtlinie sieht vor, dass solche Menschen einen eigenen Status unabhängig vom Asylverfahren und unabhängig von der Flüchtlings-Anerkennung bekommen, mit dem sie dann eine Aufenthaltserlaubnis haben und arbeiten dürfen.

Ukraine-Flüchtlinge in Polen / © Wojtek Jargilo (dpa)
Ukraine-Flüchtlinge in Polen / © Wojtek Jargilo ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir hatten hier in Deutschland ja auch schon einige Geflüchtete, zum Beispiel auch aus Syrien. Wie gut sind wir jetzt aktuell auf Geflüchtete vorbereitet?

Keßler: Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung auch bei uns ist ja enorm und begeisternd. Wir hoffen, dass die staatlichen Strukturen anders als 2015 und 2016 die Hilfsbereitschaft auch aufgreifen und dafür sorgen, dass dieses ehrenamtliche Engagement koordiniert und unterstützt wird. Wir hoffen auch, dass anders als früher die Bemühungen jetzt darauf hinauslaufen, von Anfang an eine Integration zu ermöglichen. Das heißt, dass die Kinder von Anfang an in die Schule gehen können, dass von Anfang an Sprachkurse organisiert werden, dass von Anfang an die Möglichkeit besteht, zu arbeiten und so weiter.

Die Hilfsmaßnahmen sollten sich zudem nicht nur auf Ukrainerinnen und Ukrainer beschränken, also solche mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, sondern auch auf Menschen, die zum Beispiel wegen der Diktatur in Belarus in die Ukraine geflohen waren und jetzt wieder fliehen müssen. Auch die können nirgendwohin zurück. Und auch für die muss gesorgt werden.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR
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