Immer mehr Vorwürfe gegen den Vatikan

Stürmischer Herbst für Papst Franziskus?

"Papst Franziskus in der Kritik" heißt es derzeit vermehrt in italienischen wie deutschen Medien. Zitiert werden schwere Vorwürfe und bloße Gerüchte. Es geht um Häresie, Korruption, Entführung. Doch was steckt dahinter?

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
Hoppla, windig im Vatikan / © Paul Haring (KNA)
Hoppla, windig im Vatikan / © Paul Haring ( KNA )

Italienische Medien und Blogs sprechen in diesen Tagen von einem stürmischen, eine Zeitung gar von einem "giftigen" Herbst für den Papst. Der Anlass: Seit gut einer Woche häufen sich wenig erfreuliche Ereignisse und Äußerungen. Die Frage, ob sie sachlich zusammenhängen oder wie gut sie begründet sind, wird seltener gestellt. Die Schlagwörter lauten Häresie, Unterschlagung, Korruption, Entführung, Vertreibung. Der Stoff, aus dem Gerüchte gestrickt, Geschichten angedeutet werden - zumal in Italien.

Zurechtweisung: Papst verbreite Irrlehren

Am Wochenende sorgte eine im Internet veröffentlichte "Kindliche Zurechtweisung über die Verbreitung von Häresien" an den Papst für Aufsehen. Ähnlich den vier Kardinälen, die Ende 2016 in einem Brief ihre Zweifel ("Dubia") an einzelnen Aussagen des Lehrschreibens "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie vorbrachten, will die Initiative Franziskus dazu bringen, sich von vermeintlichen Irrlehren zu distanzieren.

Insofern Vatikanbeobachter die Initiative bewerten, merken sie an: Unter den gut 60 Erstunterzeichnern ist - mit Ausnahme von Bernard Fellay von der Priesterbruderschaft Pius X. - kein Bischof, kein Kardinal, kein namhafter Theologe.

Am Montag suggerierten Medienberichte, der Vatikan habe für seine Mitarbeiter die Internetseite der Initiative gesperrt - Recherchen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an mehreren Stellen im Vatikan ergaben jedoch, dass dies nicht der Fall war.

Rücktritt des Wirtschaftsprüfers Milone

In den Schlagzeilen des Wochenendes fand sich ein weiterer Fall, der schon länger zurückliegt: der im Sommer erfolgte Rücktritt des ehemaligen obersten Vatikan-Wirtschaftsprüfers, Libero Milone. Medienvertretern sagte er nun, er sei damals zum Rücktritt gezwungen worden. Auf die Frage, wer seinen Rücktritt gewollt haben könne, sagt der Finanzfachmann Milone, der Papst sei wohl von "der alten Macht" blockiert worden.

Miloni vermutet, diese habe sich "bedroht gefühlt", weil er dem Papst und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin berichten könnte, "was ich auf den Konten gesehen habe". Der Vatikan entgegnete, Milone sei aufgrund von Kompetenzüberschreitungen zum Rücktritt aufgefordert worden, den er aus freien Stücken dann eingereicht habe. So habe er eine externe Gesellschaft mit Ermittlungsarbeiten zum Privatleben von Vatikanvertretern beauftragt.

Weitaus länger zurück liegt das bisher ungeklärte Verschwinden der Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi vor 34 Jahren. Ihr Fall sorgt seit jeher für Gerüchte und wirbelte nun ebenfalls in der Vorwoche wieder Staub auf: Das "Enthüllungsbuch" eines Journalisten kündigte neue Erkenntnisse an. Doch bei näherem Hinsehen handelt es sich wohl eher um einen Sturm im Wasserglas.

Mögliche "Vatileaks"-Gruppe?

Dass die Fälle Orlandi und Milone fast zum gleichen Zeitpunkt in die Öffentlichkeit gelangen, verwundert. Der Vatikanjournalist Andrea Tornielli hat zumindest eine Erklärung dafür: Dahinter könnte ein neues "Vatileaks" stecken. Einen Beleg für diese These sieht Tornielli in dem am Wochenende veröffentlichten Interview des ehemaligen Wirtschaftsprüfers: Milone sagte, er habe ein sehr gutes Erinnerungsvermögen und die Hoffnung, dass beschlagnahmte Dokumente zu seinem Fall die Mauern des Vatikan verlassen könnten.

Im Fall Milone steht derzeit Aussage gegen Aussage. In einem anderen zeigt der Vatikan, dass er um Aufklärung und Transparenz bemüht ist: Der Prozess zur Veruntreuung von Geldern der Stiftung des Vatikankrankenhauses "Bambino Gesu" läuft und geht weiter. Manche fragen sich dennoch, warum etwa Kardinal Tarcisio Bertone, um dessen Wohnung und ihre Renovierung es dabei auch geht, bisher noch nicht zum Prozess geladen worden ist.

In diesem gesamten Kontext wirkt die Tatsache, dass die vatikanische Gendarmerie am Freitagmorgen die Obdachlosen am Petersplatz aufgefordert hat, diesen tagsüber zu verlassen, wie ein weiterer Dämpfer für den barmherzigen Franziskus. Die Begründung lieferte der Vatikan erst hinterher. Viele Obdachlose ließen ihre Taschen und Schlafsäcke unter den Kolonnaden liegen, die jeweils notwendige Sicherheitskontrolle wie bei herrenlosen Koffern üblich, überfordere die Polizei. Zudem seien der Platz und die Säulen nicht als Schlafstellen oder Campingplatz erbaut worden.

 

Quelle:
KNA