Initiative MissBiT fordert Konsequenzen aus Stein-Studie

"Der einzige Weg"

"Die Kirche muss sich an die Seite der Missbrauchsopfer stellen, um wieder glaubwürdig zu werden", fordert Jutta Lehnert von der Trierer Initiative MissBiT. Eine Studie zeigt dort Missstände in der Amtszeit von Bischof Bernhard Stein.

In der Diskussion: Der Bischof-Stein-Platz in Trier / © Birgit Reichert (dpa)
In der Diskussion: Der Bischof-Stein-Platz in Trier / © Birgit Reichert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen nach der Vorstellung der Studie? 

Jutta Lehnert (Vorsitzende der Missbrauchsopfer- und Betroffenen-Initiative MissBiT im Bistum Trier): Die Studie ist sehr interessant und liefert Ergebnisse, wie wir sie erwartet haben. Natürlich sind die Zahlen höher, als wir geahnt haben. Aber etwas enttäuscht schon, weil die Aufarbeitungskommission keine Empfehlung an den Stadtrat Trier geben will, was die Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes betrifft. Da ist die Unabhängige Kommission sehr zurückhaltend, was gegen die Inhalte der Studie spricht. 

Jutta Lehnert, Beisitzerin im Vorstand MissBiT

"Angesichts der Faktenlage muss der Stein-Platz umbenannt werden. Ich denke, das ist völlig klar, dass der Stadtrat so entscheiden muss."

DOMRADIO.DE: Was ist Ihnen zum Beispiel an den Zahlen oder an sonstigen Erkenntnissen sonst noch prägend in Erinnerung geblieben? 

Bischof Bernhard Stein (KNA)
Bischof Bernhard Stein / ( KNA )

Lehnert: In 22 Bischofsjahren 81 Beschuldigte - das ist eine enorm große Zahl. Dann ist besonders auffallend gewesen, dass Bischof Stein mit keinem Opfer persönlich gesprochen hat, also hier auch Seelsorge-Pflichten vernachlässigt hat, so wie es aussieht.

Mit elf Fällen war er persönlich betraut und er ist immer sehr milde mit den Tätern umgegangen. Er hat den Geistlichen Exerzitien verordnet und sie dann wieder in eine Pfarrei versetzt oder in ein Krankenhaus oder sogar mithilfe eines kirchlichen Hilfswerks ins Ausland geschickt.

Er hat nicht zu den kirchenrechtlichen Möglichkeiten einer Sanktionierung eines Täters gegriffen. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich heute mit Blick auf Bischof Stein? 

Bischof Stefan Ackermann / © Harald Tittel (dpa)
Bischof Stefan Ackermann / © Harald Tittel ( dpa )

Jutta Lehnert: Angesichts der Faktenlage muss der Stein-Platz umbenannt werden. Ich denke, das ist völlig klar, dass der Stadtrat so entscheiden muss.

Außerdem ist die Frage zu klären, wie viel Bischof Ackermann und Erzbischof Marx angesichts der Aktenlage schon gewusst haben. Wir haben den Eindruck, dass doch verzögert und verschleppt wurde und immer wieder vor sich hergeschoben wurde.

Dabei ist die Frage nach dem Bischof-Platz schon seit 2019 in der Diskussion und die Aktenlage ist eigentlich klar. 

DOMRADIO.DE: Sie fordern auch den Rücktritt des aktuellen Trierer Bischofs Ackermann. Ist es das, was Sie ihm vorwerfen oder gibt es da noch andere Vorwürfe? 

Lehnert: Dieses Verschleppen und Verzögern ist der Grund. Das zermürbt die Betroffenen. Die Opfer werden zusätzlichen Leiden dadurch ausgesetzt, dass man sie so zermürbt und ihnen die Entscheidung vorenthält. Und das ist einer seelsorgerlichen Aufgabe eines Bischofs nicht würdig. 

DOMRADIO.DE: Ist das jetzt in Sachen Aufarbeitung sozusagen ein erster Schritt oder ist es eigentlich noch viel zu wenig von dem, was das Bistum, was die katholische Kirche machen muss? 

Bischof Bernhard Stein

Bernhard Stein (1904-1993) war von 1967 bis 1980 Bischof von Trier. Er steht posthum seit rund einem Jahr öffentlich in der Kritik. Betroffene von Missbrauch durch Priester werfen Stein vor, in seiner Amtszeit von sexuellem Missbrauch durch Kleriker an Kindern gewusst zu haben. Zudem habe er Täter gedeckt, indem er beschuldigte Priester in andere Pfarreien versetzt habe. Diese Vorwürfe sollen nun von einer vom Bistum eingesetzten unabhängigen Kommission untersucht werden.

Bischof Bernhard Stein (KNA)
Bischof Bernhard Stein / ( KNA )

Lehnert: Es ist ein allererster Schritt. Es gab schon eine Studie von MissBiT, die durch die heutige Studie der Universität Trier bestätigt worden ist.

Aber Aufarbeitung heißt ja eigentlich auch, dass mit den Gemeinden zu sprechen ist, dass mit Leuten zu sprechen ist, die Bischof Stein für einen guten Bischof hielten und jetzt mit der dunklen Seite konfrontiert werden. Das ist ein bisschen Arbeit. Da muss man in Gespräche, in Seelsorge investieren. 

DOMRADIO.DE: Ist da das Bistum mit seinem internen Personal gefordert? Oder sagen Sie, da muss eine andere Gruppe an Menschen mit einbezogen werden? 

Lehnert: Betroffene werden bisher im Bistum Trier nicht angemessen einbezogen. Die Betroffenen werden hingehalten. Es wird immer viel versprochen - Akteneinsicht, und so weiter - aber die Versprechen werden nicht gehalten. Das ist ein Problem. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn für die Zukunft und inwieweit glauben Sie, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen? 

Lehnert: Es ist so oft gesagt worden, dass man einen angemessen guten Umgang mit Betroffenen beabsichtigt. Das ist so oft angemahnt worden. Das wäre das erste Ziel jetzt. Dass man auf Betroffene wirklich hört und hört, wie ihr Leben zerstört wurde - körperlich, psychisch, ihre sozialen Beziehungen, beruflich.

Kaum ein Opfer hat eine durchgängige Berufsbiografie nachzuweisen. Das geht ja auch nicht unter solchen Belastungen.

Wir haben heute einen Zeugen gehört, der unendliches körperliches Leid - viele Operationen - aufgrund des vielfältigen Missbrauchs an ihm hinter sich hat. Das sind alles Realitäten, die man bisher nicht in der kirchlichen oder in der anderen Öffentlichkeit hört. 

Jutta Lehnert, Beisitzerin im Vorstand von MissBiT

"Die Opfer zu hören und sich an ihre Seite zu stellen, ist der einzige Weg, dass die Kirche glaubwürdig wird."

DOMRADIO.DE: Haben Sie die Hoffnung, dass die Kirche und in dem Fall das Bistum ihrer Verantwortung gerecht wird? 

Jutta Lehnert: Es ist der einzige Weg, dass sich die Kirche rettet. Die Opfer zu hören und sich an ihre Seite zu stellen, ist der einzige Weg, dass die Kirche glaubwürdig wird.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR